3.1 Prozessualer Tatbegriff

Autor: Rinklin

Prozessualer Tatbegriff

Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 OWiG ist das Gericht im Bußgeldverfahren an die Beurteilung der Tat als Ordnungswidrigkeit nicht gebunden. Zunächst muss daher geklärt werden, was unter dem Begriff der Tat i.S.d. § 81 Abs. 1 Satz 1 OWiG zu verstehen ist bzw. was genau von diesem Tatbegriff letztlich umfasst wird.

Im Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt über § 46 OWiG der Begriff der prozessualen Tat des Strafrechts (BGHSt 59, 4 = DAR 2014, 95). Die prozessuale Tat (§§ 155, 264 StPO) ist der vom Eröffnungsbeschluss betroffene geschichtliche Lebensvorgang einschließlich aller damit zusammenhängenden oder darauf bezogenen Ereignisse und tatsächlichen Umstände, welche geeignet sind, die in diesen Bereich fallende Handlung des Angeklagten unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt als strafbar erscheinen zu lassen (BGH, a.a.O.; BGHSt 45, 211; BGH, NStZ 2008, 411; BGH, StV 2014, 141). Der Begriff der Tat bezeichnet also ein konkretes Geschehen, das einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang bildet und Merkmale enthält, die es von denkbaren anderen ähnlichen oder gleichartigen Vorkommnissen unterscheidet (BGHSt 22, 375, 385; OLG Rostock, NStZ-RR 2009, 152). Er umfasst das gesamte Verhalten des Betroffenen, soweit dieses nach der natürlichen Auffassung des Lebens eine Einheit darstellt (BGHSt 23, 141, 145; 35, 60, 62 ff.; 45, 211, 212 f.; OLG Rostock, a.a.O.).