OLG Celle - Urteil vom 09.11.2015
8 U 101/15
Normen:
BGB § 123 Abs. 1; VVG § 19 Abs. 1 S. 1;
Fundstellen:
r+s 2016, 500
Vorinstanzen:
LG Hannover, vom 30.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 2 O 224/14

Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung des Versicherers durch die unterbliebene Angabe des Verdachts eines Cromosomendefekts bei dem zu versichernden Kind

OLG Celle, Urteil vom 09.11.2015 - Aktenzeichen 8 U 101/15

DRsp Nr. 2016/2294

Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung des Versicherers durch die unterbliebene Angabe des Verdachts eines Cromosomendefekts bei dem zu versichernden Kind

1. Der Versicherer kann auch dann zur Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung berechtigt sein, wenn der Versicherungsnehmer bei dem Vertragsschluss Umstände verschwiegen hat, nach denen der Versicherer nicht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG n. F. in Textform gefragt hat. 2. Über die Anzeigepflicht aus § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG hinaus kann sich - aus Treu und Glauben - auch eine Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers in Bezug auf nicht oder nicht ordnungsgemäß in Textform erfragte Umstände ergeben. Es kann dem Versicherungsnehmer jedoch in der Regel nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben angelastet werden, wenn er den Fragenkatalog des Versicherers als abschließend ansieht und keine weitergehenden Überlegungen dazu anstellt, welche Umstände für den Versicherer darüber hinaus von Interesse sein könnten. Nach der gesetzlichen Wertung obliegt zunächst dem Versicherer die Mitteilung der Umstände, die er für gefahrerheblich ansieht. Eine spontane Anzeigepflicht besteht daher nur bei Umständen, die zwar offensichtlich gefahrerheblich, aber so ungewöhnlich sind, dass eine auf sie abzielende Frage nicht erwartet werden kann.