BVerfG - Beschluss vom 08.06.2021
2 BvR 1866/17
Normen:
StPO § 126a; StGB § 63; GG Art. 2 Abs. 2 S. 1; GG Art. 2; BayMRVG a.F. Art. 6 Abs. 3; BayMRVG a.F. Art. 6 Abs. 4 S. 6;
Fundstellen:
BVerfGE 158, 131
D_V 2021, 1036
FamRB 2021, 423
FamRZ 2021, 1564
FuR 2022, 98
NStZ-RR 2021, 356
StV 2022, 313
Vorinstanzen:
AG Straubing, vom 28.03.2018 - Vorinstanzaktenzeichen StVK 904/17
LG Nürnberg-Fürth, vom 07.06.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 102 Js 1478/15
LG Nürnberg-Fürth, vom 16.03.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 102 Js 1478/15
OLG Nürnberg, vom 26.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 1 Ws 280/17
OLG Nürnberg, vom 29.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 Ws 321/18

Zwangsbehandlungen in der einstweiligen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie im anschließenden Maßregelvollzug; Voraussetzungen für eine medizinische Behandlung gegen den Willen einer im Maßregelvollzug untergebrachten Person; Vorrang individueller Selbstbestimmung auf der Grundlage des allgemeinen Persönlichkeitsrechts; Reichweite der autonomen Willensentscheidung des Patienten

BVerfG, Beschluss vom 08.06.2021 - Aktenzeichen 2 BvR 1866/17

DRsp Nr. 2021/11899

Zwangsbehandlungen in der einstweiligen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie im anschließenden Maßregelvollzug; Voraussetzungen für eine medizinische Behandlung gegen den Willen einer im Maßregelvollzug untergebrachten Person; Vorrang individueller Selbstbestimmung auf der Grundlage des allgemeinen Persönlichkeitsrechts; Reichweite der autonomen Willensentscheidung des Patienten

1. Staatliche Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG gegenüber einer untergebrachten Person können eine Zwangsbehandlung nicht rechtfertigen, wenn diese die in Rede stehende Behandlung im Zustand der Einsichtsfähigkeit durch eine Patientenverfügung wirksam ausgeschlossen hat.2. Der Vorrang individueller Selbstbestimmung auf der Grundlage des allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt voraus, dass der Betroffene seine Entscheidung mit freiem Willen und im Bewusstsein über ihre Reichweite getroffen hat. Seine Erklärung ist daraufhin auszulegen, ob sie hinreichend bestimmt und die konkrete Behandlungs- und Lebenssituation von ihrer Reichweite umfasst ist.