LSG Nordrhein-Westfalen - Urteil vom 23.11.2017
L 7 AS 1248/16
Normen:
SGG § 102 Abs. 2; GG Art. 19 Abs. 4;
Vorinstanzen:
SG Münster, vom 17.05.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 11 AS 60/16

Beendigung eines Rechtsstreits durch KlagerücknahmefiktionEnge Handhabung der RücknahmefiktionKeine Sanktion für einen Verstoß gegen prozessuale Mitwirkungspflichten oder unkooperatives Verhalten

LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.11.2017 - Aktenzeichen L 7 AS 1248/16

DRsp Nr. 2018/1863

Beendigung eines Rechtsstreits durch Klagerücknahmefiktion Enge Handhabung der Rücknahmefiktion Keine Sanktion für einen Verstoß gegen prozessuale Mitwirkungspflichten oder unkooperatives Verhalten

1. Die Rücknahmefiktion des § 102 Abs. 2 SGG führt zur Beendigung des Rechtsschutzverfahrens mit möglicherweise irreversiblen Folgen, insbesondere wenn behördliche Ausgangsentscheidungen dadurch in Bestandskraft erwachsen, ohne dass der Kläger dies durch ausdrückliche Erklärung in bewusster Entscheidung herbeigeführt hätte. 2. Die Handhabung eines solch scharfen prozessualen Instruments muss daher im Lichte der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG unter strikter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben erfolgen, verstanden als Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Beteiligter ein von ihm eingeleitetes Verfahren auch durchführen will. 3. Die Regelung des § 102 Abs. 2 SGG darf weder als Sanktion für einen Verstoß gegen prozessuale Mitwirkungspflichten oder unkooperatives Verhalten eingesetzt werden, noch stellt die Vorschrift ein Hilfsmittel zur Erledigung lästiger Verfahren oder zur vorsorglichen Sanktionierung prozessleitender Verfügungen dar. Sie soll nur die Voraussetzungen für die Annahme eines weggefallenen Rechtsschutzinteresses festlegen und gesetzlich legitimieren.