VG Stuttgart - Urteil vom 12.08.2021
7 K 476/20
Normen:
GG Art. 3 Abs. 3 S. 2; GemO § 10 Abs. 2; Landesgesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (L- BGG) § 1 S. 1; L- BGG § 3 Abs. 3; L- BGG § 6 Abs. 1; L- BGG § 7 Abs. 1; Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-BRK) Art. 1 Abs. 1 S. 1; UN-BRK Art. 1 Abs. 2; UN-BRK Art. 9 Abs. 1 S. 1; UN-BRK Art. 19 Buchst. c);

Zugang zu Dienstleistungen eines Bezirksamts; Verbot der Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen; Barrierefreiheit

VG Stuttgart, Urteil vom 12.08.2021 - Aktenzeichen 7 K 476/20

DRsp Nr. 2021/14430

Zugang zu Dienstleistungen eines Bezirksamts; Verbot der Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen; Barrierefreiheit

1. Es lässt sich nicht generell und abstrakt feststellen, wann ein Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch Förderungsmaßnahmen so weit kompensiert ist, dass er nicht benachteiligend wirkt. Ob die Ablehnung einer von einem Menschen mit Behinderung erstrebten Ausgleichsleistung und der Verweis auf eine andere Entfaltungsalternative als Benachteiligung anzusehen sind, wird regelmäßig von Wertungen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und prognostischen Einschätzungen abhängen. Nur aufgrund des Gesamtergebnisses dieser Würdigung kann darüber befunden werden, ob eine Maßnahme im Einzelfall benachteiligend ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 1 BvR 9/97 -, juris, Rn. 69). 2. Eine Kompensation ist nur dann ausreichend, wenn sie die Grundfreiheiten der Menschen mit Behinderung gewährleistet und die ihnen innewohnende Würde achtet. Für den Zugang zu den in einem Bezirksamt angebotenen Dienstleistungen bedeutet dies konkret, dass dieser einem Menschen mit Behinderung in einer Weise zu gewährleisten ist, die ihm eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen ermöglicht.