Insolvenzmasse

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Geschützte Guthaben

Sockelfreibetrag

Unabhängig von der Grundlage eines Anspruchs, der zu einer Kontogutschrift führt, ist das Guthaben auf einem P-Konto im Umfang des sogenannten Sockelfreibetrags899 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und ggf. der Erhöhungsbeträge (§ 902 Satz 1 ZPO) geschützt. Das Guthaben muss demnach nicht aus überwiesenen wiederkehrenden Einkünften oder Sozialleistungen bestehen. Damit wird auch selbständig tätigen Schuldnern der Pfändungsschutz eröffnet. Geschützt sind z.B. auch Gutschriften, die sich aus Internetverkäufen ergeben. Das auf einem P-Konto bestehende Guthaben wird im Umfang des jeweils geltenden pfändungsfreien Grundbetrags nach § 850c Abs. 1 ZPO, aufgerundet auf den nächsten vollen 10-€-Betrag, von einer "Kontopfändung" nicht erfasst (§ 899 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Derzeit bedeutet dies, dass der Schuldner pro Kalendermonat über einen Betrag von 1.340 € (Stand: 01.07.2022) ungeachtet eines eröffneten Insolvenzverfahrens verfügen kann. In diesem Umfang fällt ein Kontoguthaben nicht in die Insolvenzmasse.

Nicht verbrauchtes Guthaben

Das in einem vorangegangenen Kalendermonat nicht verbrauchte unpfändbare Guthaben ist in den folgenden drei Monaten zusätzlich zu dem jeweils aktuellen monatlichen Freibetrag geschützt (§ 899 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Damit wird dem Schuldner die Möglichkeit eröffnet, einen Betrag für größere Anschaffungen anzusparen. Nach Ablauf der Dreimonatsfrist (also mit Beginn des vierten Kalendermonats) entfällt der Pfändungsschutz auch in den Fällen, in denen die Gutschriften auf dem P-Konto stets den pfändungsfreien Grundfreibetrag unterschritten haben (BT-Drucks. 19/19850, S. 35). Das gilt unabhängig davon, dass der Schuldner etwa aufgrund Erkrankung nicht über das Guthaben verfügen konnte.

First-In-First-Out

Verfügt der Inhaber eines Pfändungsschutzkontos nur über einen Teil seines auf diesem Konto vorhandenen pfändungsfreien Guthabens, das sich zusammensetzt aus im laufenden Monat gutgeschriebenen Beträgen und aus Guthaben aus den Vormonaten, das gem. § 899 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht von der Pfändung erfasst wird, so ist diese Verfügung jeweils mit dem Guthaben zu verrechnen, das zuerst dem P-Konto gutgeschrieben wurde (§ 899 Abs. 2 Satz 2 ZPO; vgl. BGH v. 17.10.2017 – XI ZR 419/15; BGH v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17). Ein Vollstreckungsschuldner verfügt nur dann über das Pfändungsschutzkonto, wenn er die kontoführende Bank anweist, einen Zahlungsvorgang auszulösen, und diese den beauftragten Zahlungsvorgang ausführt. Der vergebliche Versuch einer Barabhebung stellt keine Verfügung über den Freibetrag dar (BGH v. 19.10.2017 – IX ZR 3/17).

Erhöhter Sockelfreibetrag

Nach § 902 Satz 1 ZPO (vgl. § 850k Abs. 2 ZPO a.F.) werden neben dem Sockelfreibetrag weitere Gutschriften von der Pfändung des Guthabens auf einem P-Konto nicht erfasst.

Dazu gehören:

1.

1. die unpfändbaren Grundbeträge nach § 850c Abs. 2 ZPO (500,62 € für den ersten und jeweils 278,90 € für den zweiten bis fünften Unterhaltsberechtigten; Stand: 01.07.2022), wenn der Schuldner

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einer oder mehreren Personen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt;

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Geldleistungen nach dem SGB II oder SGB XII für Personen entgegennimmt, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 Abs. 3 SGB II oder in einer Gemeinschaft nach den §§ 19, 20, 27, 39 Satz 1 oder 43 SGB XII leben und deren er nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften zum Unterhalt verpflichtet ist;

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Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für Personen entgegennimmt, mit denen er in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt und denen er nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften zum Unterhalt verpflichtet ist;

2.

Geldleistungen i.S.d. § 54 Abs. 2 oder Abs. 3 Nr. 3 SGB I;

3.

Geldleistungen gem. § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens";

4.

Geldleistungen, die dem Schuldner selbst nach SGB II oder SGB XII oder dem Asylbewerberleistungsgesetz gewährt werden, in dem Umfang, in dem diese den pfändungsfreien Betrag nach § 899 Abs. 1 Satz 1 ZPO übersteigen, also unter Anrechnung auf den Sockelfreibetrag;

5.

das Kindergeld nach dem EStG und andere gesetzliche Geldleistungen für Kinder, es sei denn, dass wegen einer Unterhaltsforderung des Kindes, für das die Leistungen gewährt oder bei dem sie berücksichtigt werden, gepfändet wird;

6.

Geldleistungen, die dem Schuldner nach landesrechtlichen oder anderen als in den Nr. 1 bis 5 genannten bundesrechtlichen Rechtsvorschriften gewährt werden, in welchen die Unpfändbarkeit der Geldleistung festgelegt wird. Hierunter fällt z.B. das Pflegegeld des Freistaates Bayern nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz (BayLPflGG); vgl. BT-Drucks. 19/19850, S. 38.

Ansparmöglichkeit

Mit § 902 Satz 2 ZPO wird klargestellt, dass Guthaben, die sich aus den genannten Leistungen speisen, angespart werden können. Es besteht aber kein zeitlich unbefristeter Pfändungsschutz (BT-Drucks. 19/19850, S. 38).

Nachweispflicht des Schuldners

Im Insolvenzverfahren bedeutet dies, dass die genannten Beträge nicht zur Insolvenzmasse gehören. Jedoch ist das Kreditinstitut dem Schuldner nur dann zur Auszahlung der erhöhten Freibeträge verpflichtet, wenn er Nachweise vorlegen kann, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 902 ZPO ergibt. Dazu dienen gem. § 903 ZPO entsprechende Bescheinigungen des Arbeitgebers, der Familienkasse, des Sozialleistungsträgers oder einer geeigneten Person oder Stelle i.S.d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO (z.B. Schuldnerberatungsstellen).

Festsetzung durch das Insolvenzgericht

Macht der Schuldner glaubhaft, dass er eine Bescheinigung i.S.d. § 903 Abs. 1 Satz 2 ZPO, um deren Erteilung er zunächst bei einer in § 903 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO genannten Stellen, von der er eine Leistung bezieht, und nachfolgend bei einer weiteren Stelle, die zur Erteilung der Bescheinigung berechtigt ist, nachgesucht hat, nicht in zumutbarer Weise von diesen Stellen erlangen konnte, hat das Insolvenzgericht auf Antrag die Erhöhungsbeträge nach § 902 ZPO festzusetzen und die Angaben nach § 903 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu bestimmen (§ 905 ZPO; vgl. § 850k Abs. 5 Satz 4 ZPO a.F.). Dabei ist hinsichtlich der Beurteilung der Zumutbarkeit gerade auch der Zeitraum zwischen dem Nachsuchen des Schuldners um die Bescheinigung und dem Zeitpunkt, in dem er bei einem geordneten Verwaltungsablauf mit der Ausstellung rechnen kann, maßgeblich (BT-Drucks. 19/19850, S. 42).

Freigabe durch den Insolvenzverwalter

Dem Insolvenzverwalter sind die Lebensverhältnisse des Schuldners jedenfalls soweit bekannt, dass er dem Kreditinstitut gegenüber die Voraussetzungen des § 902 ZPO bestätigen kann und eine Bestimmung durch das Gericht entbehrlich ist. Möglich ist auch eine entsprechende Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 3 InsO). Besteht Streit zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Schuldner etwa darüber, ob der Schuldner Unterhalt gewährt und damit die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Sockelbetrags vorliegen, hat darüber letztlich das Prozessgericht zu entscheiden (BGH v. 11.05.2010 – IX ZB 268/09; BGH v. 10.01.2008 – IX ZR 94/06).