LAG Baden-Württemberg - Urteil vom 17.07.2002
12 Sa 19/02
Normen:
GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 ; BAT § 8 § 8 Abs. 1 Satz 1 § 9 § 55 § 54 ; BGB § 611 § 612a § 626 § 626 Abs. 1 § 626 Abs. 2 ; KSchG § 1 Abs. 2 ;
Vorinstanzen:
ArbG Karlsruhe, vom 14.11.2001 - Vorinstanzaktenzeichen 8 Ca 309/01

Unwirksame außerordentliche Kündigung eines Gemeindeangestellten wegen kritischer Leserbriefe

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.07.2002 - Aktenzeichen 12 Sa 19/02

DRsp Nr. 2004/7463

Unwirksame außerordentliche Kündigung eines Gemeindeangestellten wegen kritischer Leserbriefe

1. Die politische Betätigung eines Arbeitnehmers geht dem Arbeitgeber im Grundsatz nichts an, wenn und soweit sie sich im außerdienstlichen Bereich abspielt; dies gilt auch dann, wenn der handelnde Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst beschäftigt ist.2. Das Schreiben von Leserbriefen ist in aller Regel Ausdruck der Meinungsfreiheit, die von dem Grundrecht des Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt ist und der für das Funktionieren einer lebendigen Demokratie eine herausragende Bedeutung zukommt.3. Der Angestellte des öffentlichen Dienstes hat auch bei seinem außerdienstlichen Verhalten bestimmte "ungeschriebene Anstandsregeln" zu beachten; Insiderwissen soll er nicht ohne weiteres öffentlich ins Spiel bringen.4. Wird im Abmahnungsschreiben keine konkret begangene Loyalitätsverletzung aus der Vergangenheit vorgehalten sondern ein zusätzliches Maß an Loyalität für die Zukunft abverlangt, wird das bisherige Verhalten verziehen unter dem Vorbehalt, dass nichts neues Einschlägiges wieder zutage trete.

Normenkette:

GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1 ; BAT § 8 § 8 Abs. 1 Satz 1 § 9 § 55 § 54 ; BGB § 611 § 612a § 626 § 626 Abs. 1 § 626 Abs. 2 ; KSchG § 1 Abs. 2 ;

Tatbestand: