10/1.3.4 Auslegung von Tarifverträgen

Autor: Sitter

Grundsatz

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des BAG den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln.42) Der schuldrechtliche Teil ist als privatrechtlicher Vertrag nach §§ 133, 157 BGB wie ein Rechtsgeschäft auszulegen.43)

Ergänzende Auslegung bei Lücken

Eine ergänzende (Tarif-)Vertragsauslegung findet grundsätzlich nicht statt, sofern die Vertragsparteien eine Regelung bewusst und gewollt unterlassen haben. Würde der Arbeitsrichter Lücken im Tarifvertrag nach seinen Vorstellungen vom hypothetischen Tarifwillen schließen, griffe er damit letztlich unzulässigerweise in die Tarifautonomie ein.44) Unbewusste Regelungslücken sind dann anzunehmen, wenn die Parteien irrtümlich einen regelungsbedürftigen Sachverhalt außer Acht gelassen haben und die fehlende Regelung dem Sinn und Zweck des Tarifvertrags grundsätzlich widersprechen würde. Sie stehen zwar einer ergänzenden Auslegung durch die Arbeitsgerichte grundsätzlich offen. Die gerichtliche Ergänzung des Tarifvertrags muss aber im Tarifwerk selbst hinreichend sichere Anhaltspunkte finden. Die Arbeitsgerichte dürfen nicht spekulativ oder nach eigenen Billigkeitsüberlegungen den nicht mehr erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien ersetzen.