"Massenentlassungen"

...

Verfahren

Betriebsverfassungsrechtlich ist der Betriebsrat – sofern vorhanden – gem. § 92 BetrVG zu beteiligen. Massenentlassungen stellen meist auch Betriebsänderungen i.S.d. §§ 111113 BetrVG dar, daher ist der Betriebsrat rechtzeitig, schriftlich oder in Textform (BAG, Urt. v. 22.09.2016 – 2 AZR 276/16) und umfassend über die Gründe der Massenentlassung zu unterrichten mit Angaben über die Zahl der betroffenen Mitarbeiter, über die Kriterien für die Auswahl der Mitarbeiter sowie über die Errechnung etwaiger Abfindungen. Es muss der Versuch unternommen werden, einen Interessenausgleich herbeizuführen und einen Sozialplan zu vereinbaren. Ein etwa vorhandener Wirtschaftsausschuss (§ 106 BetrVG) ist ebenfalls zu unterrichten. Vom Betriebsrat ist schließlich eine Stellungnahme zu den Entlassungen zur Vorlage bei der Agentur für Arbeit einzuholen.

Anzeige der geplanten Massenentlassung

Die Anzeige der geplanten Massenentlassung unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats ist vom Arbeitgeber an die örtlich zuständige Agentur für Arbeit unter Beachtung der Formvorschriften zu richten. Zwingend sind Angaben über:

Name und Sitz des Arbeitgebers

Art des Betriebs

Gründe für die geplanten Entlassungen

Zahl und Berufsgruppe der zu entlassenden und

der i.d.R. beschäftigten Arbeitnehmer

Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen

vorgesehene Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer

Ebenso zwingend ist die Beifügung der – wenn abgegeben – Stellungnahme des Betriebsrats.

Dem Betriebsrat ist eine Abschrift der Anzeige zu überlassen. Dieser hat dann die Möglichkeit einer weiteren Stellungnahme, von welcher er seinerseits dem Arbeitgeber eine Abschrift zur Verfügung stellen muss.

Zeitpunkt der Anzeige

Die Anzeige muss gegenüber der Agentur für Arbeit nach der Entscheidung des EuGH vom 27.01.2005 (NZA 2005, 213) bereits vor Ausspruch der Kündigungen erfolgen.

Dem EuGH folgend legt das BAG (Urt. v. 23.03.2006 – 2 AZR 343/05) die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG richtlinienkonform dahingehend aus, dass die Anzeige bei der Agentur für Arbeit nach Durchführung des dafür erforderlichen betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens ("Konsultationsverfahren"), aber rechtzeitig vor Erklärung der Kündigungen erfolgen muss (vgl. BAG, Urt. v. 20.01.2016 – 6 AZR 601/14, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 48). Seither ist es auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ausgeschlossen, die Entlassungen noch nach Erklärung der Kündigungen, wenn auch vor deren Wirksamwerden, anzuzeigen. Ist einmal eine Kündigung erklärt, so ist die Anzeige "verbraucht". Für eine wiederholte Kündigung muss – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 17 KSchG – auch die Anzeige wiederholt werden (BAG, Urt. v. 22.04.2010 – 6 AZR 948/08, NZA 2010, 1057). Vom Zeitpunkt des Eingangs der Anzeige hängen der Lauf der Sperrfrist und der Beginn der Freifrist ab.