Strafrechtliche Einordnung der §§ 35 und 38 StVO als Rechtfertigungsgründe

Autor:

Inwieweit die Sonder- und Wegerechte im Strafrecht Anwendung finden, ist umstritten. Richtigerweise sind sie als originäre Rechtfertigungsgründe zu qualifizieren: Eine tatbestandsausschließende Wirkung aufgrund "sozialadäquater Verhaltensweise" respektive als "erlaubtes Risiko" ist angesichts des unbestimmten Maßstabs zur Begründung des jeweils sozial anerkannten oder erlaubten Verhaltens sowie der gesetzlichen Positivierung der StVO entschieden abzulehnen. Dass es sich bei den Sonder- und Wegerechten um originäre Rechtfertigungsgründe handelt, ergibt sich bereits aus dem Gleichlaut fest verankerter Rechtfertigungsgründe wie § 34 StGB oder § 16 OWiG, die - wie §§ 35 und 38 StVO auch - auf dem von der herrschenden Literaturmeinung und vom Gesetzgeber vertretenen Leitprinzip der Interessenabwägung basieren und ein bestimmtes Verhalten erlauben bzw. für nicht rechtswidrig erklären. Hieraus folgt auch die grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 35 und 38 StVO im Strafrecht, folgt man der ganz h.M., dass die Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung sowie das Ultima-Ratio-Prinzip des Strafrechts ein gespaltenes Rechtswidrigkeitsurteil nicht akzeptieren: Denn dieselbe Handlung kann nicht zugleich verboten und erlaubt sein.