Insolvenzmasse

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Erklärung des Verwalters

Der Insolvenzverwalter kann Gegenstände aus der Insolvenzmasse freigeben (vgl. § 32 Abs. 3 InsO). Eine Freigabe kann sich nur auf positive Vermögenswerte beziehen. Verbindlichkeiten können nicht "freigegeben" werden.

Erklärungsempfänger

Die Freigabe hat durch eine an den Schuldner zu richtende, empfangsbedürftige Willenserklärung des Insolvenzverwalters zu erfolgen (BGH v. 07.12.2006 – IX ZR 161/04). Erst durch die wirksame Abgabe der Freigabeerklärung scheidet der betreffende Gegenstand aus der Insolvenzmasse aus und wird der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners unterstellt. Ist der Schuldner oder Schuldnervertreter für die Entgegennahme der Freigabeerklärung nicht zu erreichen, so kann unter den Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 BGB eine öffentliche Zustellung nach § 185 ZPO erfolgen, wobei über die nach § 186 ZPO erforderliche Bewilligung – abweichend von § 132 Abs. 2 Satz 2 BGB – aufgrund gegebener Sachnähe das Insolvenzgericht entscheidet. Die funktionelle Zuständigkeit obliegt regelmäßig dem Rechtspfleger.

Unechte/echte Freigabe

In der Literatur wird zwischen echter und unechter Freigabe unterschieden. Bei der unechten Freigabe will der Verwalter lediglich auf das Recht der Eigenverwertung verzichten und gibt deshalb das Absonderungsgut zur Verwertung durch den Gläubiger frei (§ 170 Abs. 2 InsO). Eine unechte Freigabe liegt auch vor, wenn der Insolvenzverwalter einen nicht massezugehörigen Gegenstand an den Berechtigten herausgibt. Ein bei der Verwertung durch den Absonderungsberechtigten im Rahmen des § 170 Abs. 2 InsO erzielter Übererlös gehört zur Insolvenzmasse (LG Koblenz v. 13.01.2004 – 2 T 901/03). Dies gilt nicht im Fall des § 168 Abs. 3 InsO.

Ermessen des Verwalters

Die echte Freigabe erfolgt, wenn der Gegenstand unverwertbar oder mit Sicherungsrechten Dritter belastet ist. Die Freigabe liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Verwalters (BGH v. 01.02.2007 – IX ZR 178/05). Wenn ein Gegenstand unverwertbar ist, gleichzeitig seine Sicherung Kosten verursacht, ist der Verwalter zur Freigabe verpflichtet, um die übrige Insolvenzmasse vor weiteren Kosten zu schonen. Auch in Insolvenzverfahren über das Vermögen von juristischen Personen besteht nach überwiegender Auffassung ein Freigaberecht des Insolvenzverwalters (BGH v. 21.04.2005 – IX ZR 281/03). Ein rechtlich schutzwürdiges Interesse für eine Freigabe besteht jedenfalls in den Fällen, in denen Gegenstände zur Masse gehören, die wertlos sind oder Kosten verursachen, welche den zu erwartenden Veräußerungserlös übersteigen. Ein Ausschluss des Freigaberechts steht auch nicht im Einklang mit § 85 Abs. 2 InsO, wonach es dem Insolvenzverwalter freisteht, die Aufnahme eines bei Verfahrenseröffnung anhängigen Aktivprozesses abzulehnen. Im Übrigen wird den schutzwürdigen Belangen der Beteiligten durch eine Haftung auf Schadensersatz gem. § 60 InsO Rechnung getragen, wenn der Insolvenzverwalter von seiner Freigabebefugnis in schuldhaft pflichtwidriger Weise Gebrauch macht. Mangels Verwertungsbefugnis ist der vorläufige Verwalter zu einer Freigabe grundsätzlich nicht berechtigt.

Zustimmung des Gläubigerausschusses

Die Freigabe ist i.d.R. als ein bedeutsames Rechtsgeschäft i.S.d. § 160 InsO anzusehen. Sie bedarf der Zustimmung des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung.

Anfechtung der Freigabeerklärung

Der Verwalter kann seine Freigabeerklärung grundsätzlich nicht mit der Begründung gem. § 119 BGB anfechten, dass er sich über den Wert des freigegebenen Gegenstands irrte, was einen unbeachtlichen Motivirrtum darstellt (vgl. BGH v. 03.04.2014 – IX ZA 5/14). Befand er sich dagegen bei einer unechten Freigabe in Bezug auf den Bestand eines Aussonderungsrechts im Irrtum, ist die Freigabeerklärung nach § 119 InsO anfechtbar (LG Koblenz v. 13.01.2004 – 2 T 901/03). Ebenfalls anfechtbar nach § 119 BGB ist die (echte) Freigabeerklärung dann, wenn sich der Verwalter über eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Irrtum befand. Insoweit handelt es sich nicht um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Als verkehrswesentliche Eigenschaft gilt auch die Belastungssituation eines Vermögensgegenstands (a.A. MüKo-InsO/Peters, § 35 InsO Rdnr. 114, mit der Begründung, dass die Freigabeerklärung eine Prozesshandlung darstellt, die grundsätzlich nicht der Irrtumsanfechtung unterliegt). Anfechtbar ist eine Freigabeerklärung auch unter den Voraussetzungen des § 123 BGB.

Freigabe belasteter Grundstücke

Die Frage, ob der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse durch Freigabe kontaminierter Grundstücke von etwaigen Entsorgungspflichten freihalten kann, ist umstritten. Nach mittlerweile überwiegender Meinung kann der Insolvenzverwalter durch die Freigabe des Grundstücks die Haftung der Masse abwenden (BVerwG v. 23.09.2004, ZIP 2004, 2145; BGH v. 21.04.2005 – IX ZR 281/03). Wenn ein Insolvenzverwalter jedoch bereits zur Räumung eines Grundstücks rechtskräftig verurteilt worden ist, damit die Ordnungspflicht manifestiert ist, kann er die Masse nicht mehr dadurch entlasten, dass er die Freigabe erklärt (BGH v. 02.02.2006 – IX ZR 46/05).

Löschung des Insolvenzvermerks

Ergibt sich aus einem Grundbuchauszug, dass ein Insolvenzvermerk gelöscht ist, kann daraus der Schluss gezogen werden, dass das Grundstück nicht mehr dem Insolvenzbeschlag unterliegt. Eine öffentlich beglaubigte Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters sowie eines Nachweises der Zustellung der Freigabeerklärung an den Schuldner in öffentlicher Form (Gerichtsvollzieherprotokoll) ist nicht erforderlich (BGH v. 30.08.2017 – VII ZB 23/14).