II. Entwicklung des notariellen Amtes

Der Gedanke einer öffentlich organisierten Beurkundung ist sehr alt; bereits die Römer entwickelten für wichtige Rechtsakte die jurisdictio voluntaria, die im Gegensatz zur streitigen Gerichtsbarkeit stand und begrifflich bis in die Neuzeit überlebte (französisch: "procédure civile non contentieuse", englisch: "noncontentious jurisdiction", italienisch: "jurisdictio voluntaria"). Im Laufe der Zeit wurden in den byzantinischen Städten mehr und mehr Beurkundungstätigkeiten auf gewerbsmäßige Urkundenschreiber - sogenannte notarii (lat. "Geschwindschreiber") - übertragen. Ihre Dienstleistung bestand darin, in ihrer Eigenschaft als glaubwürdige Person vor Zeugen Urkunden für Privatpersonen auszustellen. Den damaligen Urkunden fehlte jedoch der heute bestehende wesensmäßige öffentliche Glauben.

Bis zum 12. Jahrhundert wandelte sich der Beruf des "notarius" vom reinen Schreiber zu einem unabhängigen, freien Beruf. Diese Notare waren in Zünften organisiert. Die Überwachung ihres Geschäftsgebarens durch die Zünfte führte zu einem besonderen Vertrauen in ihre Niederschriften. Man sprach sogar von einer "Kunst des Notars" (lat. ars notariae).

Das Notariat entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer Institution für die Beurkundung von Rechtsgeschäften und Rechtsakten mit öffentlichem Glauben.