+++Aktueller Hinweis 2024+++ Reform im Kindschaftsrecht 2024 bringt endlich Neuerungen rund um das Umgangsrecht. Hier klicken und Themenseite zur Kindschaftsrechtsreform 2024 öffnen.

FAQ: Umgangs- und Sorgerecht während Corona-Pandemie

+++Tipp+++ Spezialreport Umgangs- und Sorgerecht während der Corona-Pandemie: Stand März 2022 – zahlreiche neue Entscheidungen und Beispielfälle direkt aus der Praxis. Hier klicken und gratis downloaden!

Mit der Corona-Pandemie sind viele neue Fragen bezüglich des Umgangs- und Sorgerechts aufgekommen. Unsere Expertin Martina Mainz-Kwasniok hat Ihre Fragen beantwortet.

Gibt es einen Anspruch auf Videokontakt, wenn das Kind aufgrund der Quarantäne bei einem Elternteil bleiben muss? Gegebenenfalls über ein Handy, welches der kontaktwillige Elternteil zur Verfügung stellt?

Es ist denkbar das ein Richter dies anordnen würde. Praktisch ist es sehr unwahrscheinlich, dass es durchgesetzt wird – gegen den Willen des anderen – bevor die Quarantäne vorbei ist.

Ist es im Sinne des § 159 FamFG korrekt, wenn ein Richter ein 11-jähriges Kind in einem Umgangsverfahren nicht anhört, sondern die Anhörung nur dann beabsichtigt, wenn die Eltern sich in der Verhandlung nicht einigen können. Es geht unter anderem um Corona-Impfung des Kindes.

Nein, das ist bei einer Entscheidung nicht in Ordnung. Seit Juli 2021 sind die Abwägungskriterien, wann Kinder angehört werden müssen, deutlich verschärft worden. Die Anhörung aller Kinder gleich welchen Alters ist nun die Regel. Die Ausnahme muss nach §159 FamFG gut begründet werden.

Wie kann denn ein Kind den Co-Konsens erlangen? Muss bei dem Prozess eventuell ein Verfahrenspfleger eingesetzt werden?

Ein Kind könnte, wenn es über 14 Jahre alt ist, Antragssteller sein. Handelt es sich beispielsweise um ein 16-jähriges Kind, welches sich – entgegen dem Willen der Eltern – impfen lassen möchte so könnte den Eltern für diese Entscheidung das Sorgerecht entzogen werden. In der Regel wird bei solchen Fällen ein Verfahrensbeistand bestellt.

Wie verhält es sich, wenn der umgangsberechtigte Elternteil die Übergabe des Kindes verlangt, obwohl dieses in der Schule Kontakt zu einem Infizierten hatte. Das Gesundheitsamt ist überlastet und hat keine Quarantäne angeordnet. Die Schule hat allerdings alle Schüler aufgefordert, einen Coronatest zu machen. Kann hier trotzdem die Übergabe verlangt werden?

Zu fragen ist, ob man sich aufgrund der Coronaschutzverordnung in eine eigenverantwortliche Quarantäne beim Umgangselternteil hätte begeben müssen.

Grundsätzlich: Haben wir einen Fall vorliegen, bei welchem es keine Seltenheit ist, dass das Kind mit Übernachtung mehrere Tage am Stück bei dem Elternteil verbringt, so ist es vor allem aus Infektionsschutzgründen sinnvoll, die Quarantäne dort zu verbringen. Haben wir es jedoch mit einer Umgangssituation zu tun, bei welcher nur stundenweiser Umgang angeordnet ist und das Kind noch nie bei dem Elternteil übernachtet hat, dann kann das Kind die Quarantäne durchaus bei dem anderen Elternteil (aus Kindeswohlgründen) verbringen.

Ein Elternteil bekommt die alleinige Entscheidungsbefugnis über die Impfung. Der andere Elternteil zieht in die nächste Instanz. Wie kann verhindert werden, dass in der Zwischenzeit das Kind bereits geimpft wird?

Die sorgerechtlichen Entscheidungen des Amtsgerichts sind sofort wirksam mit Bekanntgabe, so dass nur der Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung beim OLG dagegen helfen kann, dass die Impfung aufgrund des amtsgerichtlichen Beschlusses rechtmäßig durchgeführt wird.

Ist das Kindeswohl gefährdet, wenn ein Elternteil nach einem positiven Testergebnis die Quarantänepflicht nicht einhält und das Kind ohne vorherige Information über die Infektion beim anderen Elternteil abholt? Es liegt ein Wechselmodell vor.

Verstoß gegen die Coronaschutzverordnung: hierbei handelt es sich nicht um eine familienrechtliche Angelegenheit. Das OLG Brandenburg hat am 3.4.2020 beschlossen, dass die Bußgeldverordnungen des Landes bei einem solchen Fall ausreichen.

Kann dem umgangsberechtigten Vater von der Mutter „verboten” werden, mit den Kindern in Coronazeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren?

§1684 Abs. 1 Satz 3 BGB muss durchdekliniert werden. Dabei muss vor allem beantwortet werden, ob die Ausgestaltung kindeswohlwidrig ist. Allgemein lässt sich jedoch festhalten, dass der Vater das Kind nicht im Auftrag der Mutter erzieht.

Wenn die Gesundheitsfürsorge beim Jugendamt liegt und das Kind in Obhut genommen wurde (allerdings wegen anderer Auffälligkeiten), entscheidet dann das Jugendamt ohne Zustimmung der Eltern über eine Impfung?

Ja, dies ist Teil der Gesundheitsfürsorge, die beim Jugendamt liegt.

Der Gegner hat Rechtsmittel gegen die Entscheidung zur Verabreichung der Covid-Impfung eingelegt, nachdem das Kind bereits geimpft wurde – ist irgendetwas zu beachten?

Dabei muss man sich fragen, ob es sich um eine Erledigung handelt. Selbst wenn das Kind zum Zeitpunkt der Beschwerde schon 2-mal geimpft wurde, so ist zu beachten, dass es sich trotzdem nicht um eine Erledigung in der Hauptsache handelt, da mit weiteren Auffrischungsimpfungen zu rechnen ist.

Ist erst eine Impfung erfolgt, kann ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden. Dieser kann auch abgelehnt werden – siehe OLG München Beschluss v. 18.10.2021 – 26 UF 928/21.

Kann dem umgangsberechtigten Elternteil bei begleiteten Umgängen in einer Inobhutstelle eine Maskenpflicht zur Auflage gemacht werden?

Am Beginn der Pandemie, im März 2020, wurde der begleitete Umgang sogar komplett eingestellt. Es gab zum Beispiel einen Fall, in welchem die Umgangsbegleiterin sagte, sie möchte – aufgrund von Infektionsschutzmaßnahmen – den Umgang nicht mehr begleiten. In diesem Fall ist auf Zoom-Konferenzen umgestellt worden. In dem Moment, in dem die Umgangsbegleitung von sich aus sagt, dass sie unter gewissen Bedingungen nicht mehr zur Verfügung steht, befinden wir uns eher im Bereich des praktischen Problems als im Bereich des Rechtlichen. Dabei kommt es unter anderem darauf an, um wen es sich bei der Umgangsbegleitung handelt. Praktisch kann es darum gehen, dass die Umgangsbegleitung in ihren Räumlichkeiten die Regeln festlegt.

Was ist, wenn das Kind während der Umgangszeit beim nicht-betreuenden Elternteil an Corona erkrankt? Wann ist das Kind dann zurückzugeben? Regulär nach der Umgangszeit oder nach Beendigung der Quarantäne?

Dazu wurde bisher keine gerichtliche Entscheidung getroffen, da die Quarantäne schon vorbei sein dürfte, bevor man eine Rückgabebescheinigung hat. Generell spricht nichts dagegen, dass das Kind seine Quarantäne bei dem nicht-betreuenden Elternteil verbringt. Haben wir einen Fall vorliegen, bei welchem es keine Seltenheit ist, dass das Kind mit Übernachtung mehrere Tage am Stück bei dem Elternteil verbringt, so ist es vor allem aus Infektionsschutzgründen sinnvoll, die Quarantäne dort zu beenden, wo sie begonnen hat. Haben wir es jedoch mit einer Umgangssituation zu tun, bei welcher nur stundenweiser Umgang angeordnet ist und das Kind noch nie bei dem Elternteil übernachtet hat, dann muss man für eine Rückgabe des Kindes aus Kindeswohlgründen plädieren.

Gilt für Kinder ab 15 wegen der Sozialmündigkeit nach § 36 SGB I etwas anderes oder regelt man solche Angelegenheiten trotzdem über die Abwägung?

Nein, solange ein Kind nicht 18 ist, kann es auch in diesen wichtigen Dingen nicht ohne den Co-Konsens der Eltern einwilligen.

Die Mutter hat eine Vollmacht des Vaters, in dringenden Fällen medizinische Entscheidungen hinsichtlich des 8-jährigen Kindes ohne den Vater zu treffen. Erlaubt dies eine Covid-Schutzimpfung gegen den Willen des Vaters?

Eine Vollmacht ist jederzeit frei widerruflich. Der Vater sollte die Vollmacht ganz oder teilweise widerrufen, wenn er gegen die Covid-Schutzimpfung des Kindes ist.

Kann der Elternteil mit alleinigem Sorgerecht ohne Zustimmung des anderen Elternteils allein entscheiden, ob das Kind geimpft wird?

Ja, die Gesundheitsfürsorge ist ein Teil des Sorgerechts. Der Elternteil, der alleiniges Sorgerecht hat, kann demnach das Kind ohne Zustimmung des anderen Elternteils (welches nur das Umgangsrecht hat) impfen lassen.

Was ist zu unternehmen, wenn der umgangsberechtigte Vater das 7-jährige Kind gegen den Willen der Mutter impfen lässt, ohne sich zuvor die Entscheidungsbefugnis gerichtlich übertragen zu lassen (gemeinsame Sorge)?

Strafrechtlich sind Ansprüche gegen den Arzt wie zum Beispiel Körperverletzung zu erheben. Die STIKO hat die Aufforderung ausgerufen, dass Impfärzte sich der Sorgerechtsfrage zu vergewissern haben. Familienrechtlich muss verhindert werden, dass es zu weiteren Impfungen kommt. Eine Impfung bei gemeinsamer Sorge gegen den Willen eines Elternteils kann als Vorwand genutzt werden, um sich die alleinige Gesundheitsfürsorge übertragen zu lassen.

In dem Streit über die bereits erfolgte Impfung verliert die Mutter eventuell die Gesundheitsfürsorge. Zwar war die Impfung an sich rechtswidrig. Doch bei einem vorherigen Antrag hätte der Vater die Entscheidungsbefugnis möglicherweise bekommen, da das Kind in der Spanne von 5-11 Jahren ist und die STIKO sich für eine Impfung – unter bestimmten Umständen – ausgesprochen hat.

Wonach richtet sich die Entscheidung über die Übertragung der Impfentscheidung bei Kindern ab 5 Jahren, wenn keine Vorerkrankungen und keine besonders gefährdeten Kontaktpersonen vorliegen?

Nach der persönlichen Haltung des Richters und der anderen professionellen Verfahrensbeteiligten zum Thema Corona-Schutzimpfung. In dem Bereich, in dem wir außerhalb der STIKO-Empfehlungen arbeiten, gibt es im Moment noch keine vorherrschende Meinung.

Die Eltern haben ein Wechselmodell vereinbart. Ein Elternteil verweigert den Umgang, um sich und seine „Neufamilie“ zu schützen, wenn das Kind einen Coronakontakt hatte, ohne tatsächlich selbst erkrankt zu sein. Kann der andere Elternteil etwas tun?

Praktisch ist es schwierig, ein Elternteil zu verpflichten, das Kind aufzunehmen. Ohne weitere Informationen kann keine Entscheidung getroffen werden.

Kann der Elternteil, welches der Empfehlung der STIKO folgt, allein über die Impfung entscheiden?

OLG München Beschl. V. 18.10.2021 – 26 UF 928/21: „Die Entscheidungsbefugnis über eine Covid-19-Impfung ist regelmäßig demjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der STIKO befürwortet (unter Bezug auf OLG Frankfurt/Main 08.03.2021, 6 UF 3/21 und die eigene Entscheidung vom 8.9.2021“ .

Allein entscheiden kann er nur, wenn er die Alleinentscheidungsbefugnis hat. Das Argument, dass ein Elternteil die Empfehlungen der STIKO befolgt, wird jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass der Elternteil die Befugnis übertragen bekommt.

Martina Mainz-Kwasniok, Rechtsanwältin, Mediatorin, Fachanwältin für Familienrecht, Aachen

Direkt aus der Praxis!

Alles rund um Kontaktverbote. Umgangsboykott, Entscheidungsbefugnisse, Umgangsgestaltung, Medizinkritik, Impfungen und Mitbetreuungspflicht bei Home-Schooling.

» Jetzt hier kostenlos herunterladen!