Wechselmodell und elterliche Sorge: Was ist in der Praxis zu beachten?

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Nach einer Trennung obliegt es den Eltern zu regeln, von welchem Elternteil das Kind zukünftig betreut werden soll. Es kann seinen Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil begründen (Residenzmodell). Denkbar sind jedoch auch andere Betreuungsformen, wie das Wechselmodell oder das Nestmodell (Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht, 8. Aufl. 2021; Hammer, FamRZ 2021, 905; Steinbach/Augustijn/Helms/Schneider, FamRZ 2021, 729).

Im folgenden Beitrag geht es um die Regelung des Wechselmodells.

BGH-Rechtsprechung zum Wechselmodell und Sorgerecht

Der BGH hat in seinen Entscheidungen vom 01.02.2017 - XII ZB 601/15, FamRZ 2017, 532, vom 27.11.2019 - XII ZB 512/18, FamRZ 2020, 255, und vom 19.01.2022 - XII ZA 12/21, FamRZ 2022, 601, die streitige Frage, wie das paritätische Wechselmodell gerichtlich zu regeln sei, dahingehend entschieden, dass sowohl die Begründung als auch die Abänderung des Wechselmodells im Rahmen einer Umgangsregelung i.S.v. § 1684 BGB zu treffen sei. Das Wechselmodell könne nach der bestehenden Gesetzeslage auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden. Denn maßgeblich für die Anordnung einer Umgangsregelung sei allein das Kindeswohl gem. § 1697a BGB. Auf das Ermessen des betroffenen Elternteils komme es im Rahmen der Umgangsregelung anders als im Rahmen einer sorgerechtlichen Regelung nicht an. Die gerichtliche Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ein Elternteil habe keine Bindungswirkung im Hinblick auf eine spätere Entscheidung zum Umgang und der sich dabei stellenden Frage nach der Anordnung eines Wechselmodells. Denn es handele sich um eigenständige Verfahrensgegenstände. Die Entscheidung zum Umgang bei vorausgegangener Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht richte sich in diesem Fall als Erstentscheidung nach den §§ 1684, 1697a BGB und unterliege nicht den einschränkenden Voraussetzungen einer Abänderungsentscheidung gem. § 1696 Abs. 1 BGB.

Praxistipp: Helms und Schneider haben alle seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 01.02.2017 - XII ZB 601/15 (FamRZ 2017, 532) ergangenen OLG-Entscheidungen zum Wechselmodell ausgewertet und die sich daraus ergebende Linie zu den einzelnen Entscheidungskriterien skizziert (Helms/Schneider, FamRZ 2020, 813). Unter anderem zeigen sie auf, dass nicht wenige Gerichte selbst bei einem relativ hohen elterlichen Konfliktniveau im Einzelfall das Wechselmodell für die für das Kind am wenigsten schädliche Alternative hielten.

Warnhinweis: Achtung, die Oberlandesgerichte setzen die Rechtsprechung des BGH unterschiedlich um. Vor der Einleitung eines Verfahrens sollte die aktuellste Rechtsprechung des zuständigen Oberlandesgerichts ausgewertet werden.

 

Der BGH erklärt diese Auffassung damit, dass das Gesetz den Umfang des möglichen Umgangs weder beschränke noch eine Höchstdauer vorsehe. Daher sei es vom Gesetzeswortlaut auch umfasst, durch Festlegung der Umgangszeiten beider Eltern die Betreuung des Kindes hälftig unter diesen aufzuteilen. Selbst bei Anhängigkeit eines Streits über den Lebensmittelpunkt des Kindes sei die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells möglich, da die gesetzliche Regelung zum Sorgerecht die Festlegung eines hauptsächlichen Aufenthalts des Kindes nicht voraussetze. Ob ein Wechselmodell zwischen Eltern, die kein gemeinsames Sorgerecht ausüben, möglich ist, hat der BGH offengelassen und darauf verwiesen, dass ein möglicher sachlicher Widerspruch zwischen Umgangsregelung und Sorgerecht im Einzelfall folgerichtig zu lösen sei.

Zweistufige Prüfung für die Anordnung eines Wechselmodells

Davon ausgehend, dass der elterliche Konsens für die Anordnung des Wechselmodells nicht erforderlich ist, gibt der BGH eine zweistufige Prüfung für die Anordnung des Wechselmodells vor (weiterführend Schwonberg, FamRZ 2018, 1298):

  1. Zunächst ist ein Vergleich alternativer Betreuungsmodelle im konkreten Einzelfall vorzunehmen.
  2. Im zweiten Schritt erfolgt eine Abwägung der mit den jeweiligen Betreuungskonzepten verbundenen Vor- und Nachteile.

Auswirkungen des Wechselmodells für die Praxis

Für den Praktiker hat diese Entscheidung folgende Auswirkungen:

  • Die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells kann bei gemeinsam sorgeberechtigten Elternteilen, die grundsätzlich kooperations- und kommunikationsfähig sind, im umgangsrechtlichen Verfahren durchgesetzt werden, ohne dass es eines sorgerechtlichen Verfahrens und damit einer Änderung des Aufenthaltsbestimmungsrechts bedarf.
  • Im Rahmen eines umgangsrechtlichen Verfahrens können Eltern einen Vergleich über das Wechselmodell nun gem. § 156 Abs. 2 FamFG durch Beschluss gerichtlich genehmigen lassen. Das ging bislang im sorgerechtlichen Verfahren nicht, da Eltern auch im Rahmen einer Einigung nicht über das Sorgerecht disponieren können.
  • Anders als im sorgerechtlichen Eilverfahren ist die einstweilige Anordnung im Umgangsverfahren nicht anfechtbar. Ergeht die Anordnung des Wechselmodells als einstweilige Anordnung, ist somit kein Beschwerderecht gegeben.
  • Bei Auseinandersetzungen über den Kindesunterhalt nach Etablierung des paritätischen Wechselmodells ist nach Auffassung des BGH einem Elternteil gem. § 1628 BGB die Entscheidungsbefugnis zur gerichtlichen Geltendmachung des Kindesunterhalts zu übertragen.

Für die Ausübung des Sorgerechts nach der Trennung ist in § 1687 BGB festgelegt, dass derjenige, der das Kind jeweils betreut, die Entscheidung über die täglichen Angelegenheiten trifft. Nur Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung dürfen nicht nur von einem Elternteil entschieden werden und müssen bei Meinungsverschiedenheiten einer gerichtlichen Regelung zugeführt werden. Dabei hat das Gericht keine Befugnis zu einer eigenen Sachentscheidung. Es kann nur die Entscheidungskompetenz einem der beiden Elternteile übertragen (OLG Dresden, Beschl. v. 31.03.2016 - 20 UF 165/16, NJW 2016, 3042).

Haben die Eltern eine Einigung - auch formlos - über den Aufenthalt des Kindes gefunden, kann diese nur einverständlich oder durch einen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts geändert werden.

Übertragung der elterlichen Sorge

Das Familiengericht kann einem Elternteil mit Zustimmung des anderen Elternteils das alleinige Sorgerecht übertragen. Soll die Sorgerechtsübertragung gegen den Willen eines Elternteils erfolgen, setzt dies eine eingehende Kindeswohlprüfung voraus (BVerfG, FamRZ 2004, 354). Die Kindeswohlprüfung erfordert eine Abwägung folgender Kriterien:

  • Bindungen des Kindes, insbesondere an seine Eltern und Geschwister
  • Wille des Kindes als Ausdruck seiner Selbstbestimmung
  • Förderungsprinzip: bestmögliche Förderung nach Trennung und Scheidung
  • Kontinuitätsprinzip: Grundsatz der Einheitlichkeit der Erziehung und der Betreuungssituation

Die Abwägung soll sich vorrangig am Kindeswohl und nicht an dem Gedanken der Sanktionierung des sorgerechtlichen Fehlverhaltens eines Elternteils orientieren (BVerfG, FamRZ 2009, 189).

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