Familienrecht -

Abschiebungsverbot wegen Kindeswohls?

Das Kindeswohl und familiäre Bindungen können als inlandsbezogene Aspekte kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG begründen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Demnach bezieht sich der Verweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) nur auf Gefahren, die im Zielland der Abschiebung drohen. Feststellungen hierzu muss nun die Ausgangsinstanz treffen.

Darum geht es

Die Kläger sind Ausländer mit familiären Bindungen in Deutschland. 

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte ihre Asylanträge ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen, drohte ihnen die Abschiebung an und verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbote. 

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat die beklagte Bundesrepublik in allen Verfahren verpflichtet festzustellen, dass für die jeweiligen Kläger ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt (u.a. Urt. v. 09.04.2024 - VG 9a K 1073/21.A ). 

Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b RL 2008/115/EG gebiete es, das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen in allen Stadien des zu einer Rückkehrentscheidung führenden Verfahrens und damit auch bereits vor Erlass der Rückkehrentscheidung während des zu der Abschiebungsandrohung führenden Asylverfahrens zu berücksichtigen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Bundesverwaltungsgericht hat den gegen die angegriffenen Urteile des Verwaltungsgerichts eingelegten Sprungrevisionen der Beklagten stattgegeben. 

§ 60 Abs. 5 AufenthG verweist auf die Europäische Menschenrechtskonvention lediglich insoweit, als sich aus ihr Abschiebungsverbote ergeben, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielland der Abschiebung drohen. 

Belange im Sinne des Art. 5 Halbs. 1 Buchst. a und b RL 2008/115/EG, die im Rückführungsverfahren zu berücksichtigen sind, weil anderenfalls ein geschütztes Rechtsgut im Inland verletzt würde, werden von der Verweisung in § 60 Abs. 5 AufenthG nicht erfasst. 

Ihnen ist - wie in § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG und § 59 Abs. 1 AufenthG vorgesehen - in dem von der Richtlinie 2008/115/EG allein erfassten Rückkehrverfahren Rechnung zu tragen.

Das Bundesverwaltungsgericht war als Revisionsgericht in Ermangelung tatsächlicher Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten an einer insoweit abschlienden Beurteilung gehindert.

Das Bundesverwaltungsgericht hat daher die angefochtenen Urteile insoweit aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Das Verwaltungsgericht muss im weiteren Verfahren dann noch Festellungen zu der Frage treffen, ob die Kläger alsbald nach ihrer Rückkehr in ihre Herkunftsländer in eine § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zuwiderlaufende Lage gerieten oder sie dort einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt wären.

BVerwG, Urt. v. 22.05.2025 - 1 C 4.24 u.a.

Quelle: BVerwG, Pressemitteilung v. 22.05.2025

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