Familienrecht -

Entscheidung zu heimlichen Vaterschaftstests gefallen

Es entspricht dem Grundgesetz, wenn die Gerichte die Verwertung heimlich eingeholter genetischer Abstammungsgutachten wegen Verletzung des Rechts des betroffenen Kindes auf informationelle Selbstbestimmung als Beweismittel ablehnen.

Der Gesetzgebermussaber künftig zur Verwirklichung des Rechts des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der Abstammung seines Kindes von ihm (neben dem Vaterschaftsanfechtungsverfahren) ein geeignetes Verfahren allein zur Feststellung der Vaterschaft bereitstellen.

Dem Gesetzgeber wird aufgegeben, bis zum 31. März 2008 eine entsprechende Regelung zu treffen. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 13. Februar 2007. Der Verfassungsbeschwerde lag der Fall einer Vaterschaftsanfechtungsklage zugrunde, die auf einen heimlich eingeholten DNA-Vaterschaftstest gestützt war. Die Zivilgerichte hatten die Verwertung des Gutachtens als Beweismittel abgelehnt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

I. Rechte des Vaters

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet nicht nur das Recht eines Mannes auf Kenntnis der Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes, sondern auch auf Verwirklichung dieses Rechts. Der Gesetzgeber hat es unter Verletzung dieses Grundrechtsschutzes unterlassen, einen Verfahrensweg zu eröffnen, auf dem das Recht auf Kenntnis der Abstammung in angemessener Weise geltend gemacht und durchgesetzt werden kann.

1. Zwar besteht die Möglichkeit, auf privatem Wege mit Einwilligung des Kindes beziehungsweise seiner sorgeberechtigten Mutter unter Verwendung von Genmaterial des Kindes ein Vaterschaftsgutachten einzuholen und dadurch Kenntnis über die Abstammung zu erlangen. Dieser Weg ist jedoch bei Fehlen der erforderlichen Einwilligung rechtlich verschlossen, da ein mit Hilfe von genetischem Datenmaterial heimlich eingeholter Vaterschaftstest auf einer nicht zu rechtfertigenden Verletzung des Rechts des betroffenen Kindes auf informationelle Selbstbestimmung basiert, vor der die staatlichen Organe Schutz zu bieten haben. Vor ungewollten Zugriffen auf das genetische Datenmaterial eines Kindes ist auch dessen sorgeberechtigte Mutter zu schützen. Zur verfassungsrechtlich geschützten elterlichen Sorge gehört auch, im Interesse des Kindes darüber zu entscheiden, ob jemand genetische Daten des Kindes erheben und verwerten darf.

2. Das Recht eines Mannes auf Kenntnis der Abstammung eines Kindes von ihm verlangt aber für Fälle, in denen Zweifel an der Vaterschaft bestehen, die Eröffnung eines Verfahrens, in dem die Abstammung geklärt werden kann, ohne dass daran zwingend weitere rechtliche Folgen geknüpft werden. Mit der Eröffnung eines solchen Verfahrens schränkt der Gesetzgeber über den hiermit notwendigerweise verbundenen Zugriff auf die genetischen Daten des Kindes zwar das Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung ein. Da es sich um Daten handelt, die in Beziehung zu denen des Mannes stehen können, der rechtlicher Vater des Kindes ist, ist das Recht des Kindes, diese Daten nicht preiszugeben, ihm gegenüber aber weniger schützenswert. Auch Grundrechte der Mutter stehen der Bereitstellung eines Verfahrens zur Klärung und Feststellung der Abstammung eines Kindes von ihm nicht entgegen. Zwar räumt das Persönlichkeitsrecht der Mutter das Recht ein, selbst darüber zu befinden, ob und wem sie Einblick in ihr Geschlechtsleben gibt. Allerdings ist damit kein unzulässiger Eingriff in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung der Mutter verbunden. Der Eingriff dient dem vorrangigen Ziel der Klärung, ob das Kind aus ihrer Beziehung mit dem rechtlichen Vater hervorgegangen ist, der wiederum ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Kenntnis hat, ob das Kind von ihm abstammt.

3. Das Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist kein Verfahren, das dem Recht des Vaters allein auf Kenntnis der Abstammung des Kindes von ihm in verfassungsgemäßer Weise Rechnung trägt. Es beendet die rechtliche Vaterschaft, wenn sich im Verfahren erweist, dass das Kind nicht von seinem rechtlichen Vater abstammt. Zwar kommt es auch zur Klärung der Vaterschaft. Wegen seines überschießenden Zieles der rechtlichen Trennung vom Kind wird aber das Anfechtungsverfahren nicht dem Recht eines Mannes auch auf bloße Kenntnis der Abstammung eines Kindes von ihm gerecht. Der Wunsch eines rechtlichen Vaters kann sich allein darauf richten, zu wissen, ob das Kind wirklich von ihm abstammt, ohne zugleich seine rechtliche Vaterschaft aufgeben zu wollen. Auch die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen die Vaterschaft angefochten werden kann, sind, bezogen auf die Verfolgung des Interesses, Kenntnis von der Abstammung seines Kindes zu erlangen, unverhältnismäßig. Geht es lediglich um die Verfolgung dieses Ziels steht dem Recht des Vaters auf Kenntnis der Abstammung kein entsprechend gewichtiges, schützenswertes Interesse von Kind und Mutter gegenüber. Daher wäre es nicht gerechtfertigt, ein Verfahren zur Klärung und Feststellung der Abstammung an dieselben Darlegungslasten und Fristen zu binden, die für die Anfechtungsklage maßgeblich sind. Zur Verfahrenseröffnung reichte hier aus, wenn der rechtliche Vater Zweifel an der Abstammung des Kindes von ihm vorträgt.

II. Schutz der Rechte des Kindes

Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Es entspricht dem Grundgesetz, wenn die Gerichte die Verwertung heimlich eingeholter genetischer Abstammungsgutachten wegen Verletzung des Rechtes des betroffenen Kindes auf informationelle Selbstbestimmung als Beweismittel ablehnen. Auch der Umstand, dass bislang kein Verfahren zur Verfügung steht, das es einem Mann ermöglicht, allein die Abstammung eines ihm rechtlich zugeordneten Kindes zu klären und feststellen zu lassen, führt nicht dazu, ein solches besonders schützenswertes Interesse des Beschwerdeführers anerkennen zu können.

III. Auftrag an den Gesetzgeber

Auf welche Weise der Gesetzgeber seiner Verpflichtung zur Bereitstellung eines Verfahrens allein auf Feststellung der Vaterschaft nachkommt, liegt in seiner Gestaltungsfreiheit. Allerdings ist er gehalten, Sorge dafür zu tragen, dass im Vaterschaftsanfechtungsverfahren das verfassungsrechtlich geschützte Interesse des Kindes, gegebenenfalls seine rechtliche und soziale familiäre Zuordnung zu behalten, auch weiterhin Berücksichtigung findet. So etwa kann er sicherstellen, dass die nun leichter zu erwerbende Kenntnis des rechtlichen Vaters, nicht biologischer Vater zu sein, im Anfechtungsverfahren in bestimmten Fällen nicht sogleich zur Beendigung der rechtlichen Vaterschaft führt.

Das Urteil ist, soweit es die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen bestätigt, mit 6 : 2 Stimmen ergangen, im übrigen einstimmig.

Stellungnahme des DAV:

Die Vorsitzende der Arbeitgemeinschaft Familienrecht im DAV, Rechtsanwältin Ingeborg Rakete-Dombek, begrüßt die Entscheidung. Eine neue gesetzliche Regelungsei notwendig, denn die Hürden für ein Vaterschaftsanfechtungsverfahrenseien bisher ebenfalls viel zu hoch. Mit einem neuen Gesetz könne die Vaterschaft jedoch geklärt werden, ohne dass der rechtliche Status des Kindes sich sofort ändert. Zum Beispiel könne das Kind ehelich bleiben, auch werde zunächst nicht über unterhaltsrechtliche Zahlungen entschieden. Damit werde das verfassungsrechtlich geschützte Interesse des Kindes berücksichtigt, gegebenenfalls seine rechtliche und soziale familiäre Zuordnung zu behalten.

Im bisherigen Vaterschaftsanfechtungsverfahren endet die rechtliche Vaterschaft , wenn sich erweist, dass das Kind nicht von seinem rechtlichen Vater abstammt.

Quelle: BVerfG - Pressemitteilung vom 13.02.07