Familienrecht -

Väter unehelicher Kinder dürfen nicht mehr diskriminiert werden

Urteil: Nach geltendem Sorgerecht werden ledige im Vergleich zu verheirateten Vätern in Deutschland benachteiligt. Dies ist ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot, befanden die Richter des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

EGMR, Zaunegger gegen Deutschland, Beschwerde - Nr. 22028/04

 

Darum geht es

Der Beschwerdeführer eine uneheliche Tochter, die 1995 geboren wurde und bei beiden Eltern aufwuchs bis diese sich 1998 trennten. Danach lebte das Kind bis zum Januar 2001 beim Vater. Nach dem Umzug des Kindes in die Wohnung der Mutter trafen die Eltern unter Vermittlung des Jugendamtes eine Umgangsvereinbarung, die regelmäßigen Kontakt des Vaters mit dem Kind vorsah.Die Mutter hatte das alleinige Sorgerecht für das Kind. Da sie nicht bereit war, einer gemeinsamen Sorgeerklärung zuzustimmen, beantragte der Beschwerdeführer die gerichtliche Zuweisung des gemeinsamen Sorgerechts. Das Amtsgericht Köln lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass nach deutschem Recht Eltern unehelicher Kinder die gemeinsame Sorge nur durch eine gemeinsame Erklärung, durch Heirat oder durch gerichtliche Übertragung mit Zustimmung der Mutter erlangen können. Das Oberlandesgericht Köln bestätigte die Entscheidung im Oktober 2003. Beide Kölner Gerichte bezogen sich auf ein Leiturteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29.01.2003 —1 BvL 20/99 — 1 BvR 933/01 (Deubner-Link 2003/4281), das § 1626 a BGB im Wesentlichen für verfassungsgemäß erklärt hatte.

Am 15. Dezember 2003 wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zurück.
Der Beschwerdeführer beklagte sich insbesondere unter Berufung auf Art. 14 (Diskriminierungsverbot) i. V. m. Art. 8 (Recht auf Achtung des  Familienlebens) EMRK, dass die Anwendung von § 1626 a Abs. 2 BGB unverheiratete Väter wegen ihres Geschlechts und im Verhältnis zu geschiedenen Vätern diskriminiere.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Gerichtshof stellte fest, dass der Beschwerdeführer mit der Ablehnung des Antrags auf gerichtliche Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts ohne weitere Prüfung, ob dadurch die Interessen des Kindes gefährdet würden, anders behandelt worden war als die Mutter und als verheiratete Väter.

Schutzzweck des § 1626 a BGB

Um zu prüfen, ob es sich dabei um eine Diskriminierung im Sinne von Art. 14 handelte, erwog der Gerichtshof zunächst, dass § 1626 a BGB, auf dessen Grundlage die deutschen Gerichte entschieden hatten, auf den Schutz des Kindeswohls abzielt. Die Regelung soll gewährleisten, dass das Kind ab seiner Geburt eine Person hat, die klar als gesetzlicher Vertreter handeln kann, und Konflikte zwischen den Eltern über Sorgerechtsfragen zum Nachteil des Kindes vermeiden. Die Gerichtsentscheidungen hatten demnach einen legitimen Zweck verfolgt.

Gründe zur Versagung des Sorgerechts

Weiterhin nahm der Gerichtshof zur Kenntnis, dass es stichhaltige Gründe geben kann, dem Vater eines unehelichen Kindes die Teilhabe an der elterlichen Sorge abzusprechen, etwa wenn ein Mangel an Kommunikation zwischen den Eltern droht, dem Kindeswohl zu schaden. Diese Erwägungen ließen sich auf den vorliegenden Fall aber nicht anwenden, da der Beschwerdeführer sich weiterhin regelmäßig um sein Kind kümmert.

Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Der Gerichtshof teilt die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts nicht, dass ein gemeinsames Sorgerecht gegen den Willen der Mutter grundsätzlich dem Kindeswohl zuwiderlaufe. Gerichtsverfahren zur Regelung der elterlichen Sorge könnten auf ein Kind zwar verstörend wirken, allerdings sieht das deutsche Recht eine gerichtliche Überprüfung der Sorgerechtsregelung in Trennungsfällen vor, in denen die Eltern verheiratet sind, oder waren, oder eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben. Der Gerichtshof sah keine hinreichenden Gründe, warum die Situation im vorliegenden Fall weniger gerichtliche Prüfungsmöglichkeiten zulassen sollte.
Folglich war der generelle Ausschluss einer gerichtlichen Prüfung des alleinigen Sorgerechts der Mutter im Hinblick auf den verfolgten Zweck, nämlich den Schutz der Interessen des unehelichen Kindes, nicht verhältnismäßig. Der Gerichtshof kam daher mit sechs Stimmen zu einer Stimme zu dem Schluss, dass eine Verletzung von Art. 14 i. V. m. Art. 8 EMRK vorlag.
Der Gerichtshof vertrat außerdem einstimmig, dass die Feststellung einer Verletzung der Konvention eine ausreichende gerechte Entschädigung für den erlittenen immateriellen Schaden darstellt.

Quelle: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte - Pressemitteilung vom 03.12.09