Wohlverhaltensphase

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Verteilung der dem Treuhänder zufließenden Beträge (§ 292 InsO)

Ausschüttungsmodus

Turnusmäßige Auszahlung

Der Treuhänder hat die Beträge, die er innerhalb der Wohlverhaltensphase durch die Abtretung erlangt, und sonstige Leistungen des Schuldners oder Dritter mindestens einmal jährlich auf der Grundlage des Schlussverzeichnisses an die Insolvenzgläubiger verhältnismäßig zu verteilen (§ 292 Abs. 1 Satz 2 InsO). Soweit es im Einzelfall angezeigt ist, hat der Treuhänder auch eine vorzeitige Ausschüttung vorzunehmen. Hierzu kann das Gericht den Treuhänder auffordern.

Nach § 292 Abs. 1 Satz 4 InsO genügt die einmalige Ausschüttung am Ende der Abtretungsfrist, wenn dies angesichts der Geringfügigkeit der zu verteilenden Beträge angemessen erscheint (MüKo-InsO/Stephan, § 292 Rdnr. 6). Wann eine solche Angemessenheit vorliegt, wird vom Gesetzgeber jedoch nicht definiert. Es ist anzunehmen, dass eine jährliche Verteilung zugunsten einer einmaligen Verteilung dann zurückzutreten hat, wenn eine Verteilung ansonsten mehr Kosten als Nutzen verursacht. Wird jedoch nur einmal verteilt, hat dies der Treuhänder zumindest anzuzeigen.

Begleichung der Verfahrenskosten

Vorab sind aus den eingenommenen Beträgen evtl. nach § 4a InsO gestundete Verfahrenskosten zu berichtigen (§ 292 Abs. 1 Satz 2 InsO). An die Gläubiger sind demnach erst dann Auszahlungen vorzunehmen, wenn die Kosten des Verfahrens, soweit sie dem Schuldner gem. § 4a InsO gestundet wurden, gedeckt sind (Uhlenbruck/Sternal, InsO, § 292 Rdnr. 48). Die Gläubiger sollen nicht zu Lasten der Staatskasse eine Befriedigung ihrer Forderungen erlangen. Dies gilt jedoch nicht für die Vergütungen und Auslagenerstattungen, die an einen dem Schuldner gem. § 4a Abs. 2 InsO beigeordneten Anwalt aus der Staatskasse geleistet wurden. Diese sind als Kosten des Verfahrens i.S.d. § 54 InsO zwar aus der Masse abzudecken; aus den in der Wohlverhaltensphase erwirtschafteten Geldern können sie jedoch nicht befriedigt werden und gehen damit nicht zu Lasten der Gläubiger. Vielmehr haftet hierfür allein der Schuldner, der nach Erteilung der Restschuldbefreiung zur Zahlung heranzuziehen ist, soweit nicht eine Verlängerung der Stundung gem. § 4b InsO anzuordnen ist.

Behandlung sonstiger offener Masseverbindlichkeiten

Nach dem Wortlaut des § 292 Abs. 1 Satz 2 InsO bleiben offene Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 InsO unberücksichtigt. Demnach erfolgen Ausschüttungen an die Insolvenzgläubiger ungeachtet noch offener Masseverbindlichkeiten. § 53 InsO steht dieser Annahme nicht entgegen, da diese Regelung die Vorwegbefriedigung der Masseverbindlichkeiten aus der Masse bestimmt, in der Wohlverhaltensphase aber eine Masse in diesem Sinne nicht mehr besteht (vgl. BGH v. 17.03.2005 – IX ZB 214/04). Gleichwohl erscheint es systemwidrig, wenn Insolvenzgläubiger Zahlungen erhalten, obgleich noch offene Masseverbindlichkeiten bestehen, zumal der Schuldner grundsätzlich weder nach Verfahrensaufhebung noch nach Beendigung der Wohlverhaltensphase für offene Masseverbindlichkeiten in Anspruch genommen werden kann. Allenfalls für sogenannte oktroyierte Masseverbindlichkeiten besteht die Haftung des Schuldners über die Verfahrensbeendigung hinaus fort (vgl. BGH v. 28.06.2007 – IX ZR 73/06). Es ist deshalb davon auszugehen, dass aus den Einnahmen in der Wohlverhaltensperiode zunächst die offenen Masseverbindlichkeiten zu berichtigen sind und erst im Anschluss daran Auszahlungen an die Insolvenzgläubiger erfolgen können (so auch BGH v. 20.11.2014 – IX ZB 16/14).

Maßgebendes Schlussverzeichnis

Berücksichtigt werden bei der Ausschüttung innerhalb der Wohlverhaltensperiode nur solche Gläubiger, deren Forderung im Schluss- bzw. Verteilungsverzeichnis enthalten ist. Sie erhalten eine der Höhe ihrer jeweiligen Forderung entsprechende Quote, die durch den Treuhänder zu errechnen ist. Gläubiger, denen ein Absonderungsrecht zusteht, werden in das Schlussverzeichnis nur mit dem Betrag aufgenommen, mit dem sie bei der Realisierung ihres Absonderungsrechts ausgefallen sind oder hierauf gegenüber dem Verwalter verzichtet haben (§ 190 InsO; BGH v. 02.07.2009 – IX ZR 126/08).

Erloschene Forderung

Der Treuhänder ist während der Laufzeit der Abtretungserklärung des Schuldners kraft Amtes befugt, das nachträgliche Erlöschen von Forderungen, die in das Schlussverzeichnis des Insolvenzverfahrens aufgenommen worden sind, gegen den jeweiligen Insolvenzgläubiger im Klageweg geltend zu machen (Verteilungsabwehrklage). Führt die Aufrechnung eines Insolvenzgläubigers gegen Forderungen des Schuldners, die von seiner Abtretungserklärung nicht erfasst sind, während ihrer Laufzeit zu einer teilweisen Befriedigung, so darf der Insolvenzgläubiger an den weiteren Verteilungen nur nach dem Berücksichtigungswert seiner Restforderung teilnehmen (BGH v. 29.03.2012 – IX ZR 116/11).

Änderung der pfändbaren Einkommensteile

Berechnung durch den Drittschuldner

Die Höhe der abgetretenen und an die Insolvenzgläubiger abzuführenden Beträge lässt sich für die Dauer der Abtretungserklärung nicht fest vorherbestimmen. Zum einen können sich die Einkommensverhältnisse des Schuldners ändern, zum anderen können sich Veränderungen hinsichtlich seiner Unterhaltsverpflichtungen ergeben, die wiederum zu einer Änderung der pfändbaren Einkommensteile führen. Ferner können im Arbeitseinkommen einmalige Beträge enthalten sein, die nach § 850a ZPO zu einem bestimmten Teil pfändbar sind, wie z.B. das Weihnachtsgeld nach § 850a Nr. 4 ZPO. Die Berechnung der abzuführenden Beträge wird indes für den Drittschuldner keine Schwierigkeiten bereiten, seine Rechtsstellung ist keine andere als im Fall gewöhnlicher Pfändung des Arbeitseinkommens (vgl. §§ 850c, 850e ZPO).

Anordnungen des Insolvenzgerichts

Neben Veränderungen der Einkommens- und Familienverhältnisse können sich Änderungen der pfändbaren Einkommensteile auch durch Anordnungen des Insolvenzgerichts ergeben. Nach § 292 Abs. 1 Satz 3 InsO ist die Regelung des § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO auf die an den Treuhänder abzuführenden Beträge entsprechend anwendbar. Damit kann das Insolvenzgericht z.B. auf Antrag des Treuhänders anordnen, dass ein Unterhaltsberechtigter bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens außer Betracht zu bleiben hat (vgl. § 850c Abs. 6 ZPO). Ebenso kann angeordnet werden, dass mehrere Einkommen des Schuldners zur Bestimmung des pfändbaren Betrags zusammenzurechnen sind (vgl. § 850e Nr. 2 ZPO). Der Treuhänder ist nicht als verpflichtet anzusehen, Anträge hinsichtlich der Bestimmung der abgetretenen Einkommensteile zu Lasten des Schuldners zu stellen (vgl. AG Köln v. 21.03.2013 – 137 C 566/12).

Pfändungsschutz

Auf Antrag des Schuldners kann das Insolvenzgericht auch bestimmen, dass dem Schuldner von seinem Einkommen mehr zu belassen ist, als nach den Regeln des § 850c ZPO unpfändbar wäre (vgl. § 850f Abs. 1 ZPO). Kann der Schuldner etwa nachweisen, dass er durch die erheblichen Kosten, die ihm durch die tägliche Fahrt zu seiner Arbeitsstätte entstehen, besonders belastet wird, kann ihm das Insolvenzgericht einen weiteren Freibetrag bewilligen (§ 850f Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Die Entscheidung des Insolvenzgerichts ist mit der sofortigen Beschwerde gem. § 793 ZPO anfechtbar (BGH v. 05.02.2004 – IX ZB 97/03).

Gerichtliche Anordnung im Insolvenzverfahren

Soll eine im eröffneten Insolvenzverfahren vom Insolvenzgericht in Anwendung des § 36 InsO getroffene Anordnung über die Beendigung des Insolvenzverfahrens hinaus auch im Restschuldbefreiungsverfahren gelten, so ist dies ausdrücklich anzuordnen. Die in dem Insolvenzverfahren ergangene Anordnung erstreckt sich auch nicht – über ihren Wortlaut hinaus – aus sich heraus auf das nachfolgende Restschuldbefreiungsverfahren. Die im Insolvenzverfahren ergangene Anordnung ihrer Zusammenrechenbarkeit haftet den zu pfändenden Bezügen nicht bis zum Widerruf an (VG Berlin v. 25.03.2019 – 5 K 571.17; vgl. Teil 3/7.11).

Änderung der Steuerklasse

In analoger Anwendung des § 850h ZPO kann der Treuhänder ebenso wie der Insolvenzverwalter die gerichtliche Anordnung beantragen, wonach der Schuldner so zu behandeln sei, als ob sein Einkommen nach der Steuerklasse 4 versteuert werden müsste (vgl. Teil 3/7.11).