Familienrecht -

Endlich Einigung bei der Unterhaltsrechtsreform

Die Rechtspolitiker der Koalitionsfraktionen haben sich über die Reform des Unterhaltsrechts verständigt.

Ein entsprechender Vorschlag liegt nun dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zur Beschlussfassung vor. Das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts soll zum 01.01.2008 in Kraft treten.

Das Gesetz zur Reform des Unterhaltsrechts wurde bereits im April 2006 durch das Bundeskabinett beschlossen und seit Juni 2006 im Deutschen Bundestag beraten. Die im Mai 2007 verkündete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur gleichen zeitlichen Dauer des Betreuungsunterhalts für geschiedene und nicht verheiratete, betreuende Elternteile (Az. 1 BvL 9/04) führte dazu, dass die Verabschiedung des Gesetzes verschoben werden musste. Die Regierungskoalition hat mit der heute erzielten Einigung die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt.

Zum Inhalt der Reform im Einzelnen:

1. Förderung des Kindeswohls
a) Geänderte Rangfolge

Die künftige Rangfolge wird konsequent auf das Kindeswohl ausgerichtet sein. Daher soll der Kindesunterhalt in Zukunft Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen haben. Im zweiten Rang wird sich künftig die Personengruppe der kinderbetreuenden Elternteile befinden, und zwar unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder waren, gemeinsam oder allein ein Kind erziehen.

Konkret: Sowohl der erste als auch der zweite Ehegatte, der Kinder zu betreuen hat, aber auch die nicht verheiratete Mutter (der nicht verheiratete Vater) werden gleich behandelt, weil sie im Hinblick auf die Kinder in der gleichen Situation sind. Ebenso schutzwürdig sind Ehegatten bei langer Ehedauer, da hier über Jahre hinweg Vertrauen in die eheliche Solidarität gewachsen ist. Diese Ehegatten sollen sich deshalb künftig im zweiten Rang befinden. Der geschiedene Ehegatte, der nur verhältnismäßig kurz verheiratet war und keine Kinder betreut, ist demgegenüber weniger schutzbedürftig. Er findet sich künftig im dritten Rang wieder.

b) Betreuungsunterhalt für eheliche und nichteheliche Kinder
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 28.02.2007 - 1 BvL 9/04, FamRZ 2007, 965,  festgestellt, dass die nach derzeit noch geltendem Recht unterschiedliche Dauer von Unterhaltsansprüchen für die Betreuung ehelicher und nichtehelicher Kinder verfassungswidrig ist. Nun wird die Dauer des Unterhaltsanspruchs wegen Kindesbetreuung gleich ausgestaltet. Künftig haben alle Mütter und Väter, die ihr Kind betreuen, zunächst für die Dauer von drei Jahren nach der Geburt des Kindes Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Dieser Betreuungsunterhalt ist im Einzelfall zu verlängern, soweit und solange dies der Billigkeit entspricht. Maßgeblich sind dabei die Belange des Kindes. Ab dem Alter von drei Jahren sind – entsprechend dem Anspruch auf einen Kindergartenplatz – auch die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Soweit diese eine mit den Belangen des Kindes vereinbare Erwerbstätigkeit ermöglichen, ist der betreuende Elternteil hierauf zu verweisen. Damit ist der Betreuungsunterhalt, der im Interesse des Kindes geschuldet wird, einheitlich von gleicher Dauer.

Darüber hinaus wird mit der Reform die Möglichkeit geschaffen, aus Gründen der nachehelichen Solidarität im Einzelfall den Betreuungsunterhalt für geschiedene Elternteile zusätzlich zu verlängern. Diese Verlängerungsmöglichkeit rechtfertigt sich alleine aus dem in der Ehe gewachsenen Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung.

2. Stärkung der nachehelichen Eigenverantwortung
Die bestehenden Möglichkeiten, Unterhaltsansprüche zu befristen oder in der Höhe zu beschränken, von der Rechtsprechung nur sehr zurückhaltend genutzt. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung relativ hohe Anforderungen an die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Scheidung stellt. Umgekehrt ist ein Problem der Eigenverantwortung, dass sich die Ehegatten beim vertraglichen Unterhaltsverzicht häufig nicht "auf gleicher Augenhöhe" gegenüberstehen.
Der Gesetzentwurf sieht deshalb folgende Änderungen vor:

  • Der Grundsatz der Eigenverantwortung wird ausdrücklich im Gesetz verankert. Bei der Frage, ab welchem Alter der Kinder der betreuende Ehegatte wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen muss, spielen die tatsächlich bestehenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten vor Ort eine größere Rolle als bisher. Konkret: Ist eine Übermittagbetreuung in der Schule vorhanden, kann von dem kinderbetreuenden Elternteil künftig durchaus früher als heute die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit erwartet werden, damit er jedenfalls zum Teil selbst und eigenverantwortlich seinen Unterhalt bestreiten kann.

  • Die Gerichte werden künftig mehr Möglichkeiten haben, den nachehelichen Unterhalt zu befristen oder der Höhe nach zu begrenzen.

  • Der in der Ehe erreichte Lebensstandard ist nur noch einer von mehreren Maßstäben dafür, ob eine Erwerbstätigkeit nach der Scheidung wieder aufgenommen werden muss. Denn eine unbegrenzte Lebensstandardgarantie wird gerade bei kurzen Ehen nicht mehr als angemessen empfunden. Hier sollen die Gerichte mehr Gestaltungsspielraum erhalten, um Unterhaltsansprüche zu befristen oder der Höhe nach zu begrenzen. Auch die Rückkehr in den erlernten und vor der Ehe ausgeübten Beruf soll künftig eher zumutbar sein – auch, wenn damit ein geringerer Lebensstandard als in der Ehe verbunden ist.

  • Ein vertraglicher Verzicht auf Unterhaltsansprüche ist nur noch wirksam, wenn sichergestellt ist, dass beide Parteien über die im Einzelfall weitreichenden Folgen umfassend aufgeklärt worden sind. Unterhaltsvereinbarungen vor der Scheidung müssen deshalb notariell beurkundet werden.

3. Vereinfachung des Unterhaltsrechts
Ein weiteres Ziel der Reform ist die Vereinfachung des Unterhaltsrechts. Das gilt insbesondere für folgende Punkte:

  • Der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder wird in Anlehnung an den steuerlichen Freibetrag für das sächliche Existenzminimum (Kinderfreibetrag) gesetzlich definiert. Das Unterhaltsrecht wird insoweit an das Steuer- und Sozialrecht angepasst. Damit entfällt die Regelbetrag-Verordnung und die Differenzierung in den alten und neuen Bundesländern wird aufgehoben.

  • Durch eine besondere Übergangsregelung wird sichergestellt, dass die heutigen Regelbeträge (West) durch den neuen Mindestunterhalt in keinem Fall unterschritten werden.

  • Mit der Neuregelung der Kindergeldverrechnung wird eine klare, sachgerechte Regelung geschaffen, die steuer- und sozialrechtliche Vorgaben berücksichtigt.

Quelle: BMJ - Pressemitteilung vom 05.11.07