Weg frei für Justizmodernisierungsgesetz

Der Bundesrat hat dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung der Justiz zugestimmt.

Das Gesetz enthält wie schon das Erste Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I, S. 2198) ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das nahezu alle Bereiche der Justiz betrifft. Es beruht auf einem Entwurf der Bundesregierung, der im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch um einige Punkte ergänzt wurde. Neben gewichtigen inhaltlichen Änderungen des geltenden Rechts sind eine Vielzahl kleinerer Korrekturen und Ergänzungen vorgesehen, die insgesamt 27 Gesetze betreffen.

Zu den Schwerpunkten des Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes im Einzelnen:

1. Stärkung des Opferschutzes in Strafverfahren

Im Strafrecht wird der Opferschutz sowohl gegenüber erwachsenen als auch gegenüber jungen Tätern gestärkt. Es soll die Wiedergutmachung durch den Täter Vorrang vor der Vollstreckung von Geldstrafen haben. Wenn der Verurteilte nichtliquide genug ist,um sowohl sein Opfer zu entschädigen als auch die Geldstrafe zu zahlen, soll ihm schon im Urteil Stundung der Geldstrafe oder Ratenzahlung gewährt werden, damit er zunächst Wiedergutmachung an das Opfer leisten kann.

Damit Opfer schneller ihre Schadensersatzansprüche gegen Heranwachsende (Alter des Täters von 18 bis 20 Jahre) verfolgen können, wird das Adhäsionsverfahren auch dann zugelassen, wenn sie nach Jugendstrafrecht verurteilt werden. Mit dem Adhäsionsverfahren kann das Opfer zivilrechtliche Ansprüche bereits im Strafverfahren geltend machen. Bislang ist das nur möglich, wenn das Gericht im Verfahren gegen den Heranwachsenden Erwachsenenstrafrecht auf sie anwendet.

Weitere Änderungen im Jugendgerichtsgesetz verbessern die Position der Opfer im Strafverfahren auch gegen Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren. Insbesondere wird bei besonders schweren Verbrechen nun auch gegen sie die Nebenklage zugelassen. Damit kann der Verletzte aufgrund eigener Verfahrensrechte seine Sichtweise und Interessen aktiv in das Strafverfahren einbringen und ist nicht mehr bloß auf die Zeugenrolle beschränkt. Der nebenklagebefugte Verletzte kann sich dabei auch durch einen anwaltlichen Verletztenbeistand vertreten lassen.

Außerdem wird das Zweite Justizmodernisierungsgesetz der Staatsanwaltschaft ermöglichen, bei besonderer Schutzbedürftigkeit des Opfers Anklage zur Jugendkammer beim Landgericht zu erheben, auch wenn sonst das Amtsgericht zuständig wäre. Damit können dem Verletzten die Belastungen einer zweiten Tatsacheninstanz erspart werden.

2. Mehr Sicherheit

Änderungen im Strafverfahrensrecht zielen auf mehr Sicherheit für die Bürger durch klare und praxisnahe Bestimmungen. Bei Einlegung der Revision nach Ablauf der Revisionsfrist (möglich, wenn Frist unverschuldet versäumt wurde)wird die Rechtslage wieder hergestellt wird, wie sie vor der Rechtskraft des Urteils bestanden hat. Damit leben vorläufige Maßnahmen wie vor allem Untersuchungshaft- und Unterbringungsbefehle automatisch wieder auf, so dass der Angeklagte in Haft bleibt. Seine Grundrechte werden dadurch geschützt, dass der Haftbefehl unverzüglich gerichtlich überprüft werden muss.

Ferner erhält der Generalbundesanwalt mehr Kompetenzen bei Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz und dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Dadurch können Straftaten, die für die äußere Sicherheit und das Ansehen Deutschlands in der Staatengemeinschaft besonders schädlich sind, effektiver bekämpft und die sicherheitsgefährdenden Dimensionen besser aufgeklärt werden.

3. Mehr Flexibilität bei strafrechtlichen Sanktionen

Richter sollen künftig noch flexibler und situationsgerechter auf weniger schwer wiegende Straftaten reagieren können: Sie können öfter als bisher eine Verwarnung mit Strafvorbehalt aussprechen.

4. Mehr Effizienz in Zivilprozessen und Zwangsvollstreckung

Mit verschiedenen Maßnahmen soll dafür gesorgt werden, dass die Gerichte Zivilverfahren effizienter und schneller durchführen können. Unter anderem werden die Regelungen über den Sachverständigenbeweis geändert. In Zukunft soll eine Fristsetzung bei Sachverständigengutachten die Regel sein. Außerdem sollen die Möglichkeiten erweitert werden, in einem Zivilrechtsstreit auch Sachverständigengutachten aus anderen Verfahren zu verwerten.

Auf mehr Effizienz und Kostenersparnis zielen auch folgende Maßnahmen ab:

  • Beschränkung des baren Zahlungsverkehrs bei den Justizkassen:
    Die weitgehende Umstellung auf den unbaren Zahlungsverkehr spart Arbeitsaufwand für die Justiz und mindert Sicherheitsrisiken. Das gilt insbesondere für die Abschaffung der baren Sicherheitsleistung in der Zwangsversteigerung. Nach neuen Recht kann diese per Vorabüberweisung erbracht werden oder alternativ durch Vorlageeines Schecks oder durch eine Bankbürgschaft
  • Modernisierung der Kommunikation zwischen den Gerichten und den Bürgerinnen und Bürgern im Zwangsversteigerungswesen:
    Die Veröffentlichung von Wertgutachten und die Bekanntmachung von Terminen sollen künftig auch per Internet zulässig sein.
  • Änderungen im Mahnverfahren:
    Rechtsanwälte sollen außer im arbeitsgerichtlichen Mahnverfahren Anträge auf Erlass eines Mahnbescheides künftig in maschinell lesbarer Form stellen. Derzeit werden ca. 68% aller Mahnanträge auf diese Weise gestellt. Der Anteil soll erhöht werden, weil diese Mahnanträge schneller bearbeitet werden können und weniger fehleranfällig sind als Anträge in Papierform. Außerdem wird der elektronische Rechtsverkehr insgesamt gefördert.
  • Ausschluss der Streitverkündung gegenüber dem Gericht und dem gerichtlichen Sachverständigen:
    In der Praxis wird gerichtlichen Sachverständigen häufig der Streit verkündet, um das Verfahren zu verzögern oder einen unliebsamen Sachverständigen für das Verfahren auszuschalten. Die vorgeschlagene Änderung verhindert diese missbräuchliche Form der Streitverkündung.

5. Stärkung von Verfahrensrechten

Das Zweite Justizmodernisierungsgesetz stärkt die Verfahrensrechte in mehrfacher Hinsicht. Das gilt zum Beispiel für:

  • Änderungen im Zivilprozessrecht, die eine Wiederaufnahme des (bereits abgeschlossenen) Verfahrens ermöglichen, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Entscheidung des Gerichts wegen einer Menschenrechtsverletzung bemängelt hat. Diese Möglichkeit gibt es bis jetzt nur im Strafprozess.
  • Änderungen im Jugendgerichtsgesetz zum Anwesenheitsrecht von Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern des Angeklagten. Hier greift das Gesetz eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf: Unter Berücksichtigung des Elterngrundrechts wird genau festgelegt, in welchen Fällen Eltern von der Hauptverhandlung gegen Jugendliche ausgeschlossen werden können.

6. Kostenrecht

Von den zahlreichen kostenrechtlichen Änderungen sind die folgenden hervorzuheben:

  • Im berufsgerichtlichen Verfahren der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sollen erstmals Gebühren eingeführt werden.
  • DerAuftrag des Bundesverfassungsgerichts durch Beschluss vom 23. Mai 2006 (1 BvR 1484/99) zu § 92 Kostenordnung hierfür eine Frist bis zum 30. Juni 2007 wird gesetzt. Danach ist es mit Artikel 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, für die Berechnung der Gerichtsgebühr in Betreuungssachen auch dann unbegrenzt das reine Vermögen zugrunde zu legen, wenn sich Fürsorgemaßnahmen auf die Personensorge beschränken. Dieser Vorgabe wird dadurch Rechnung getragen, dass es künftig nur noch eine Festgebühr geben wird, wenn von einer Betreuung das Vermögen nicht unmittelbar erfasst ist.
  • Auslagen für Zustellungen werden ab 1. Januar 2008 pauschaliert. Anstelle der tatsächlichen Zustellungskosten werden in allen Verfahren einschließlich Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde pauschal 3,50 EUR je Zustellung erhoben.

Der beschlossene Gesetzestext ist als Bundesrats-Drucksache 890/06 veröffentlicht und soll noch im laufenden Jahr 2006 verkündet werden.

Quelle: BMJ - Pressemitteilung vom 15.12.06