Miet- und WEG-Recht -

Eigentümer muss Stromleitungen auf seinem Grundstück dulden

Sind Grundstückseigentümer an ein Elektrizitätsversorgungsnetz angeschlossen, müssen sie die Verlegung von Stromleitungen auf ihrem Grundstück grundsätzlich dulden. Das Versorgungsunternehmen ist nicht verpflichtet, dazu vorrangig den öffentlichen Straßenraum zu nutzen.

BGH, Urt. v. 28.04.2010 — VIII ZR 223/09

Darum geht es

Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks, das von der Beklagten, dem örtlichen Stromversorgungsunternehmen, mit Elektrizität versorgt wird. Die Stromversorgungsleitungen wurden im Jahr 2003 verlegt. Das für die Versorgung der Straßenanlieger mit Elektrizität erforderliche Kabel wurde nicht im Straßenkörper, sondern auf einer Länge von rund 20 Metern unmittelbar neben der Straße in einem bereits zum Grundstück der Kläger gehörenden Grundstücksstreifen verlegt. Die Kläger verlangen die Entfernung der Leitung von ihrem Grundstück. In den Vorinstanzen ist die Klage abgewiesen worden. Auch die dagegen gerichtete Revision der Kläger hatte keinen Erfolg.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Grundstückseigentümer können nicht die Entfernung der Leitungen verlangen.

Duldungspflicht gem. § 1004 Abs. 2 BGB

Ein solcher Anspruch ist gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil die Kläger als Stromanschlussnehmer, die Grundstückseigentümer sind, nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 AVBEltV Grundstücksbenutzung verpflichtet waren, die Verlegung der Leitungen unentgeltlich zuzulassen. (Seit 08.11.2006 ist § 8 Abs. 1 Satz 1 und 2 AVBEltV ersetzt durch den insofern gleichlautenden § 12 Niederspannungsanschlussverordnung, Wortlaut der Vorschriften unter diesem Beitrag),

Auswahlermessen nicht eingeschränkt

Ist — wie im hier entschiedenen Fall — die Inanspruchnahme von privatem und öffentlichem Grundeigentum für eine Verlegung von Elektrizitätsleitungen gleichwertig möglich, ist das Auswahlermessen des Stromversorgungsunternehmens nicht dahin eingeschränkt, dass es öffentliches Grundeigentum vorrangig in Anspruch zu nehmen hat.

Keine Ermessensfehler

Auch aus etwaigen Ansprüchen des Versorgungsunternehmens auf Gestattung einer Leitungsverlegung im Straßenraum folgt nicht, dass die hier gewählte Inanspruchnahme des Grundstücks der Kläger ermessensfehlerhaft war.

§ 8 AVBEltV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden): Grundstücksbenutzung

(1) Kunden und Anschlussnehmer, die Grundstückseigentümer sind, haben für Zwecke der örtlichen Versorgung (Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz) das Anbringen und Verlegen von Leitungen zur Zu- und Fortleitung von Elektrizität über ihre im gleichen Versorgungsgebiet liegenden Grundstücke, ferner das Anbringen von Leitungsträgern und sonstigen Einrichtungen sowie erforderliche Schutzmaßnahmen unentgeltlich zuzulassen. Diese Pflicht betrifft nur Grundstücke, die an die Stromversorgung angeschlossen sind, die vom Eigentümer in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Stromversorgung eines angeschlossenen Grundstücks genutzt werden oder für die die Möglichkeit der Stromversorgung sonst wirtschaftlich vorteilhaft ist. Sie entfällt ferner, wenn die Inanspruchnahme der Grundstücke den Eigentümer mehr als notwendig oder in unzumutbarer Weise belasten würde.

§ 8 AVBEltV seit 08.11.2006 ersetzt durch
§ 12 NAV (Niederspannungsanschlussverordnung): Grundstücksbenutzung

(1) Anschlussnehmer, die Grundstückseigentümer sind, haben für Zwecke der örtlichen Versorgung (Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz) das Anbringen und Verlegen von Leitungen zur Zu- und Fortleitung von Elektrizität über ihre im Gebiet des Elektrizitätsversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung liegenden Grundstücke, ferner das Anbringen von Leitungsträgern und sonstigen Einrichtungen sowie erforderliche Schutzmaßnahmen unentgeltlich zuzulassen. Diese Pflicht betrifft nur Grundstücke,

1. die an das Elektrizitätsversorgungsnetz angeschlossen sind,

2. die vom Eigentümer in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einem an das Netz angeschlossenen Grundstück genutzt werden oder

3. für die die Möglichkeit des Netzanschlusses sonst wirtschaftlich vorteilhaft ist.

Sie besteht nicht, wenn die Inanspruchnahme der Grundstücke den Eigentümer mehr als notwendig oder in unzumutbarer Weise belasten würde; insbesondere ist die Inanspruchnahme des Grundstücks zwecks Anschlusses eines anderen Grundstücks an das Elektrizitätsversorgungsnetz grundsätzlich verwehrt, wenn der Anschluss über das eigene Grundstück des anderen Anschlussnehmers möglich und dem Netzbetreiber zumutbar ist.

Quelle: BGH - Pressemitteilung Nr. 90/2010 vom 28.04.10