Der BGH hat erneut über den Referenzzins für Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen entschieden. In zwei Musterverfahren, in denen Verbraucherschützer gegen zwei Sparkassen geklagt hatten, bestätigten die Bundesrichter u.a. die Anwendung des Referenzzinssatzes auf Grundlage der Zinsreihe der Deutschen Bundesbank für Umlaufsrenditen von Bundesanleihen mit siebenjähriger Restlaufzeit.
Darum geht es
Der Musterkläger ist in beiden Verfahren ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband.
Die beklagten Sparkassen schlossen seit den 1990er Jahren mit Verbrauchern sog. Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50 % ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen.
Der Musterkläger hält die Regelungen in den Sparverträgen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von den Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig.
Der Musterkläger begehrt mit seinen Musterfeststellungsklagen u.a. die Bestimmung eines Referenzzinses, der für die von den Musterbeklagten vorzunehmenden Zinsanpassungen maßgebend ist.
Das Brandenburgische OLG hat in beiden Verfahren mit sachverständiger Hilfe festgestellt, dass die beiden Musterbeklagten jeweils verpflichtet sind, die Zinsanpassung bei den bis einschließlich September 1997 geschlossenen Sparverträgen auf der Grundlage der entsprechenden Zinsreihe der Deutschen Bundesbank vorzunehmen (Urt. v. 03.05.2024 - 4 MK 1/21 und 4 MK 1/22).
Dabei handelt es sich um die veröffentlichte Zeitreihe für die Umlaufsrenditen von Bundesanleihen mit siebenjähriger Restlaufzeit.
Bei den ab Oktober 1997 geschlossenen Sparverträgen ist dies auf der Grundlage von nach der Svensson-Methode ermittelten Renditen von endfälligen Bundesanleihen mit siebenjähriger Restlaufzeit (Kennung der Deutschen Bundesbank: BBSIS.M.I.ZST.ZI.EUR.S1311.B.A604. R07XX.R.A.A._Z._Z.A; ehemalige Zeitreihe WZ9820) vorzunehmen.
Der Musterkläger möchte mit seinen Revisionen jeweils erreichen, dass die Zinsanpassungen auf der Grundlage von anderen, für die Sparer vergleichsweise günstigeren, Referenzzinsen vorgenommen werden.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der BGH hat die Revisionen in beiden Verfahren zurückgewiesen.
Der BGH hat entschieden, dass die in den Prämiensparverträgen infolge der Unwirksamkeit der Zinsanpassungklauseln entstandene Regelungslücke durch ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu schließen ist und dass die vom OLG bestimmten Referenzzinsen den Anforderungen genügen, die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung an einen Referenzzins für die variable Verzinsung der Sparverträge zu stellen sind.
Die vom OLG bestimmten Referenzzinsen werden von der Deutschen Bundesbank, einer unabhängigen Stelle, nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt sowie in deren Monatsberichten regelmäßig veröffentlicht und begünstigen daher weder einseitig die Sparer noch die beklagten Sparkassen.
Die Umlaufsrenditen bzw. die nach der Svensson-Methode ermittelten Renditen von Bundesanleihen spiegeln zudem die jeweils aktuellen risikolosen Zinsen am Kapitalmarkt wider und enthalten in Ermangelung eines Ausfallrisikos keinen Risikoaufschlag.
Beide Referenzzinsen werden angesichts der Restlaufzeit von sieben Jahren unter Berücksichtigung der Ansparphase auch dem maßgebenden Anlagehorizont von 15 Jahren gerecht und sind als langfristig anzusehen.
Bei der vom Senat angenommenen typischen Spardauer von 15 Jahren handelt es sich nicht um eine durch den Sparvertrag vorgegebene feste Spardauer, sondern um das Auslegungsergebnis aufgrund einer objektiv-generalisierenden Sicht auf die typischen Vorstellungen der an Geschäften gleicher Art beteiligten Verkehrskreise. Dieses Ergebnis lässt auch Laufzeiten des Referenzzinses von unter 15 Jahren zu.
Dass auch andere regelmäßig von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Renditen, Umlaufsrenditen oder Zinssätze den an einen Referenzzins für Prämiensparverträge zu stellenden Anforderungen genügen, führt nicht dazu, dass die vom OLG vorgenommene Bestimmung der Referenzzinsen rechtsfehlerhaft ist.
Die Vornahme der ergänzenden Vertragsauslegung obliegt in erster Linie dem OLG als Tatsachengericht. Sie unterliegt zwar grundsätzlich der selbständigen und uneingeschränkten Nachprüfung durch den BGH als Revisionsgericht.
Bei der Bestimmung eines konkreten Referenzzinses handelt es sich aber um eine tatsächliche Frage, die das OLG nur mit sachverständiger Hilfe beantworten kann.
Der Senat überprüft die vom OLG getroffene Bestimmung des Referenzzinses dementsprechend nur daraufhin, ob der Referenzzins den nach der Senatsrechtsprechung an ihn zu stellenden Anforderungen genügt, ob sich das OLG bei der Bestimmung des Referenzzinses sachverständiger Hilfe bedient hat und ob es auf dieser Grundlage eine eigene nachvollziehbare und widerspruchsfreie Begründung für seine Bestimmung gegeben hat.
Diesen Anforderungen genügt die vom OLG vorgenommene Referenzzinsbestimmung.
BGH, Urt. v. 09.12.2025 - XI ZR 64/24 und XI ZR 65/24
Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 09.12.2025