Der BGH hat sich in einem Musterfeststellungsverfahren mit den Ansprüchen aus Prämiensparverträgen befasst und seine Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Zinsanpassungsklauseln bestätigt. Die Bundesrichter klärten im Streitfall zudem das Kündigungsrecht der Bank, den Beginn der Verjährung von Zinsansprüchen, sowie den Referenzzins und die Methode der Zinsanpassung.
Darum geht es
Der Musterkläger ist ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband.
Die beklagte Sparkasse schloss seit den 1990er-Jahren mit Verbrauchern sog. Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50% ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. Die Vertragsformulare enthielten keine konkreten Bestimmungen zur Änderung des variablen Zinssatzes.
Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig.
Der Musterkläger begehrt mit seiner Musterfeststellungsklage u.a. die Feststellung der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel, die Bestimmung eines Referenzzinses für die Sparverträge sowie Feststellungen zu einem ordentlichen Kündigungsrecht der Bank und zur Verjährung von Zinsbeträgen.
Das Vorgericht hatte festgestellt, dass die Erklärung der Musterbeklagten in ihren Kündigungsschreiben nicht als außerordentliche Kündigung ausgelegt werden kann (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urt. v. 28.02.2024 - 101 MK 1/20).
Als Referenzzins hat das Vorgericht für Sparverträge, die ab dem Jahr 2020 geschlossen worden sind, die von der Deutschen Bundesbank aus der Zinsstruktur abgeleiteten Renditen für Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von 15 Jahren bestimmt.
Für Sparverträge, die ab September 1993 geschlossen worden sind, hat es die Umlaufsrenditen inländischer Bundeswertpapiere mit einer Restlaufzeit von über 8 bis 15 Jahren (ehemalige Zeitreihe WU 9554 der Deutschen Bundesbank) als Referenzzins bestimmt.
Und für Sparverträge, die vor September 1993 geschlossen worden sind, hat das Vorgericht die von der Deutschen Bundesbank aus der Zinsstruktur abgeleiteten Renditen für Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von zehn Jahren als Referenzzins bestimmt.
Es hat außerdem festgestellt, dass die Zinsanpassung unter Wahrung des absoluten Abstands zwischen dem bei Vertragsschluss vereinbarten variablen Zins und dem Referenzzins vorzunehmen ist, und dass der vertragliche Zinssatz nicht negativ werden kann.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Der BGH hat entschieden, dass hinsichtlich der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel kein Klärungsbedarf mehr besteht. Der Senat hatte bereits im Jahr 2004 entschieden, dass Zinsanpassungsklauseln der vorliegenden Art unwirksam sind (Urt. v. 17.02.2004 - XI ZR 140/03).
Nach dem BGH war die Feststellungsziel hinsichtlich einer notwendigen „aktiven“ Zustimmung zur Einbeziehung einer neuen Kündigungsklausel in die AGB zu weit gefasst, weil dabei zulässige konkludente (schlüssige) Zustimmungen der Verbraucher nicht in den Blick genommen wurden.
Der Musterbeklagten steht daher gegenüber Verbrauchern ein ordentliches Kündigungsrecht aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen auch dann zu, wenn der Verbraucher seine Zustimmung zur Einbeziehung der neugefassten AGB nicht „aktiv“ erklärt, sondern wenn er der Einbeziehung durch konkludentes Verhalten zugestimmt hat.
Die vom Vorgericht im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmten Referenzzinsen waren nach dem BGH revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Zudem hat der BGH entschieden, dass bei den vorzunehmenden Zinsanpassungen das Verhältnis des bei Vertragsabschluss vereinbarten Zinssatzes zum Referenzzins und nicht eine gleichbleibende absolute Gewinnmarge gewahrt bleiben muss (sog. Verhältnismethode).
Unerheblich ist demnach insoweit der Einwand, der Musterbeklagten sei eine Ausrichtung des internen Risikomanagements auf die mit der Verhältnismethode verbundenen Zinsänderungsrisiken nicht möglich.
Für die Verjährung von Zinsansprüchen hat der BGH klargestellt, dass die Fälligkeit des Anspruchs auf (weitere) Zinsgutschriften hinausgeschoben ist, bis der Verbraucher einen solchen Anspruch geltend macht - längstens jedoch bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf Auszahlung der weiteren Zinsbeträge mit Beendigung des Sparvertrags.
Die dem Verbraucher eingeräumte Möglichkeit, über gutgeschriebene Zinsen innerhalb von zwei Monaten nach einer Zinsgutschrift zu verfügen, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Denn diese Verfügungsmöglichkeit betrifft nur tatsächlich gutgeschriebene Zinsen, nicht aber die weiteren Zinsbeträge, die sich aus der ergänzenden Vertragsauslegung und Neuberechnung ergeben. Solche Mehrbeträge, die der Spareinlage gutzuschreiben sind, werden mit der Gutschrift selbst zur Spareinlage.
Nur eine einheitliche Fälligkeit des Anspruchs auf Rückzahlung des angesparten Kapitals einschließlich der tatsächlich gutgeschriebenen Zinsen einerseits und des Anspruchs auf Zahlung der weiteren bislang nicht gutgeschriebenen Zinsbeträge andererseits wird demnach der berechtigten Erwartungshaltung des Kunden gerecht.
Schließlich hat der BGH auch die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung durch die Bank im Hinblick auf die Vertragslaufzeit geklärt.
Demnach ist die fragliche Klausel nach ihrem eindeutigen Wortlaut dahin zu verstehen, dass die Vertragslaufzeit 99 Jahre beträgt und damit das Recht der Musterbeklagten zur ordentlichen Kündigung für diesen Zeitraum - also auch noch nach Erreichen der höchsten Prämienstufe - ausgeschlossen sein soll.
Die Frage, ob ein Verbraucher und die Musterbeklagte die Klausel im Einzelfall übereinstimmend abweichend von ihrem objektiven Sinn verstanden haben, kann nach dem BGH nur im Rahmen von Individualklageverfahren zwischen Verbrauchern und der Musterbeklagten beantwortet werden.
BGH, Urt. v. 23.09.2025 - XI ZR 29/24
Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 23.09.2025