Das Bundesverfassungsgericht hat die rechtlichen Voraussetzungen für die Durchsuchung von Anwaltskanzleien näher bestimmt. Zwar war die Verfassungsbeschwerde eines Rechtsanwalts unzulässig, weil die Rechtswegerschöpfung nicht hinreichend vorgetragen worden war. Die Verfassungsrichter nahmen den Fall aber zum Anlass, die hohen Hürden für die Durchsuchung von Kanzleiräumen zu unterstreichen.
Darum geht es
Die Staatsanwaltschaft führte gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Prozessbetrugs.
Hintergrund des Ermittlungsverfahrens war ein zivilrechtlicher Honorarstreit zwischen dem Beschwerdeführer und einer ehemaligen Mandantin (im Folgenden „Anzeigende“), welche Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet hatte.
Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren zunächst ein, wogegen die Anzeigende Beschwerde einlegte. Im Rahmen dieser Beschwerde legte sie unter anderem eine E-Mail der ehemaligen Bürokraft des Mitbeschuldigten (im Folgenden „Zeugin“) vor.
In dieser E-Mail belastete die Zeugin den Beschwerdeführer. Die Staatsanwaltschaft nahm daraufhin das Verfahren wieder auf. In der polizeilichen Vernehmung belastete die Zeugin wiederum den Beschwerdeführer und den Mitbeschuldigten; inhaltlich schilderte sie aber einen anderen Ablauf als noch in der E-Mail.
Das Amtsgericht erließ den angegriffenen Durchsuchungsbeschluss für die Räume der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführers.
Bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses war der zivilrechtliche Honorarstreit noch anhängig. Die Akten des Zivilverfahrens wurden nicht beigezogen. Der Durchsuchungsbeschluss wurde vollstreckt und dabei unter anderem ein Computer des Beschwerdeführers sichergestellt.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Durchsuchungsbeschluss verwarf das Landgericht als unbegründet.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer in der Sache eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 103 Abs. 1 GG.
Wesentliche Entscheidungsgründe
Die Verfassungsbeschwerde ist nach dem Bundesverfassungsgericht unzulässig. Der Beschwerdeführer hat demnach nicht substantiiert vorgetragen, eine Gehörsrüge erhoben und damit den Rechtsweg erschöpft zu haben.
Aufgrund der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde kommt es nicht mehr darauf an, dass die Durchsuchungsanordnung und die Entscheidung über die Beschwerde den strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsuchung bei Rechtsanwälten bei einer Gesamtabwägung nicht gerecht werden dürften.
Der dem Beschwerdeführer vorgeworfene versuchte (Prozess-)Betrug ist demnach keine Straftat von erheblicher Bedeutung.
Der Tatverdacht sei zudem aufgrund der aktenkundigen Widersprüche zwischen E-Mail und polizeilicher Vernehmung der Zeugin zumindest schwach. Das gelte insbesondere für die nach Aktenlage aufgrund der jeweiligen Motivlage eher fragliche Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugin und der Anzeigenden.
Auch die Auffindevermutung sei eher gering. Ihre Schwäche beruhe insbesondere auf der Kenntnis des Beschwerdeführers von den wiederaufgenommenen Ermittlungen und der Tatsache, dass er diese Kenntnis gegenüber der Staatsanwaltschaft mit seinem Akteneinsichtsantrag sogar offenlegte und daher eine Durchsuchung zumindest für möglich halten durfte.
Zu berücksichtigen sei schließlich die besondere Eingriffsintensität einer Durchsuchung von Kanzleiräumen eines Rechtsanwalts.
Die besondere Eingriffsintensität der Durchsuchung von Anwaltskanzleien ergebe sich daraus, dass die strafprozessuale Maßnahme wegen der Vielzahl verfahrensunerheblicher Daten in den durchsuchten Kanzleiräumen eine Streubreite aufweise und daher zahlreiche Personen in den Wirkungsbereich der Maßnahme mit einbezogen würden, die in keiner Beziehung zu dem Tatvorwurf stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben.
Hinzu komme die besondere Schutzbedürftigkeit der von einem überschießenden Datenzugriff mitbetroffenen Vertrauensverhältnisse. Die hier sehr weit formulierte Durchsuchungsanordnung erfasse potentiell auch verfahrensunerhebliche Daten und Betroffene.
Das gelte insbesondere, weil eine Abwendungsbefugnis ausdrücklich mit der Begründung ausgeschlossen wurde, dass sich nur aus der Gesamtschau der Unterlagen Erkenntnisse erwarten ließen. Es sollte also demnach offenbar auch nach Unterlagen außerhalb der mandatsbezogenen Verfahrensakte des Beschwerdeführers zur Anzeigenden gesucht werden.
Die besondere Rolle des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt spreche im Ergebnis entscheidend gegen ein angemessenes Verhältnis aus staatlicher Eingriffsmaßnahme zur Wahrheitsermittlung und Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers.
BVerfG, Beschl. v. 21.07.2025 - 1 BvR 398/24
Quelle: BVerfG, Pressemitteilung v. 10.09.2025