Sozialrecht -

Erben haften für Hartz IV-Bezug des Verstorbenen

SG Berlin, Urt. v. 24.05.2011 - S 149 AS 21300/08

Die Erben eines Hartz IV-Empfängers sind zum Ersatz der Sozialleistungen verpflichtet, die dieser in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod erhalten hat, sofern der Leistungsbetrag 1.700 € überstieg. Dabei ist die Ersatzpflicht der Erben auf den Wert des Erbes begrenzt. Ausnahmen von der Erbenhaftung gelten nur 1.) für Angehörige, die den Verstorbenen gepflegt und mit ihm zusammengewohnt haben, wenn das Erbe 15.500 € nicht übersteigt, oder 2.) in besonderen Härtefällen.

Die Vorschrift ist weitgehend unbekannt. Nur selten kommt es wegen § 35 SGB II zum Streit vor Gericht. Doch wenn die Erbenhaftung greift, bleibt vom Erbe meist nicht mehr viel übrig: Während den Leistungsempfängern gemäß § 12 SGB II ein Schonvermögen belassen wird, sind deren Erben verpflichtet, mit dem ererbten Vermögen die gezahlten Sozialleistungen zurückzuerstatten. Drei Jahre haben die Jobcenter Zeit, um die Rückforderung geltend zu machen.

Darum geht es:

Im November 2006 teilte die Klägerin dem beklagten Jobcenter Marzahn-Hellersdorf den Tod ihres 60 Jahre alten Vaters mit. Dieser hatte von Januar 2005 bis Oktober 2006 Hartz IV-Leistungen in Höhe von insgesamt 11.918,04 € erhalten. Sein Vermögen von rund 22.000 € war dabei als sogenanntes Schonvermögen nicht angerechnet worden.

Das Jobcenter ermittelte daraufhin durch Befragen des zuständigen Finanzamts und der Klägerin - unter Abzug von Nachlassverbindlichkeiten wie z. B. den Kosten der Beerdigung – einen Nachlasswert von 19.853,26 €.

Im Juli 2007 forderte das Jobcenter dann von der Klägerin als Erbin die Rückzahlung der dem Vater bewilligten Sozialleistungen. Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage wandte die Klägerin unter anderem ein, dass eine derartige Erbenhaftung gegen das grundrechtlich garantierte Erbrecht verstoße.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Das Sozialgericht Berlin hat die Klage abgewiesen und die Rückforderung des Jobcenters bestätigt. Gemäß § 35 SGB II sei die Klägerin verpflichtet, die ihrem Vater in den vergangenen 10 Jahren rechtmäßig gewährten SGB II-Leistungen zurückzuerstatten. Eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel sei nicht gegeben. Die Ausnahmeregelung für pflegende Haushaltsangehörige greife schon deswegen nicht, weil das Erbe den Grenzwert von 15.500 € überstiegen habe. Auch ein besonderer Härtefall liege nicht vor. Es würden keine selbsterworbenen Mittel der Klägerin zurückgefordert. Die Rückforderung sei auch auf den Wert des Nachlasses beschränkt. Schließlich verbleibe ihr ein Resterbe. Die zugrunde liegende Vorschrift sei schließlich auch verfassungsgemäß. Es sei eine legitime Erwägung des Gesetzgebers, dass sich das dem Hilfebedürftigen belassene Schonvermögen nicht zugunsten der Erben auswirken solle.

Quelle: SG Berlin - Pressemitteilung vom 24.06.11