Arbeitsrecht -

Ruhezeiten für Betriebsräte und Freistellung

Einem Betriebsratsmitglied steht nach dem täglichen Arbeitszeitende eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden zu. Diese Ruhezeit ist auch einzuhalten, wenn der letzten Schichtarbeit eine Betriebsratssitzung folgt. Das hat das BAG entschieden. Arbeitgeber müssen gegenüber Betriebsräten bei verschiedenen Anlässen besonders deren Anspruch auf Freistellung von der Arbeit beachten.

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer war Mitglied des Betriebsrats und arbeitet in einem Dreischichtbetrieb. Er war in der streitgegenständlichen Nacht in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr eingeteilt. Allerdings sollte dann am gleichen Tag, an dem die Nachtschicht um 6:00 Uhr endete, in der Zeit von 13:00 Uhr bis 15:30 Uhr eine Betriebsratssitzung stattfinden.

Nun bestand für den Arbeitnehmer folgendes Problem: Nach § 5 Abs. 1 ArbZG ist jedem Arbeitnehmer nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden zu gewähren. Wenn es sich nun bei der Betriebsratssitzung um Arbeitszeit handeln würde, dürfte der Arbeitnehmer nicht bis 6:00 Uhr morgens arbeiten, da die Zeit zwischen 6:00 Uhr morgens und dem Beginn der Betriebsratssitzung um 13:00 Uhr sich lediglich auf 7 Stunden beläuft.

Deshalb stellte der Arbeitnehmer in der Nachtschicht seine Arbeit um 2:30 Uhr ein. Auf seinem Arbeitszeitkonto wurde von der Arbeitgeberin nur der Zeitraum bis 3:00 Uhr und dann von 5:00 bis 6:00 Uhr gutgeschrieben. Dagegen klagte der Arbeitnehmer und verlangte auch die Gutschrift der beiden weiteren Stunden von 3:00 Uhr bis 5:00 Uhr.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Vor dem BAG konnte das Betriebsratsmitglied einen Erfolg verbuchen. Zunächst stellte das Gericht fest, dass nach § 37 Abs. 2 BetrVG Mitglieder des Betriebsrats auch dann von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien sind, wenn eine außerhalb der Arbeitszeit liegende erforderliche Betriebsratstätigkeit die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar gemacht hat. Und eine solche Unzumutbarkeit haben die Richter hier festgestellt. Denn bei Fortsetzung der Arbeit hätte dem Betriebsratsmitglied die durchgehende Erholungszeit von elf Stunden nicht zur Verfügung gestanden.

Für das BAG war es unerheblich, ob die Betriebsratstätigkeit eine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist. Die Vorschrift über die Ruhezeit von elf Stunden aus § 5 Abs. 1 ArbZG ist eine grundsätzliche Wertung. Und diese Wertung ist bei der Beurteilung zu berücksichtigen, ob einem Betriebsratsmitglied in einer solchen Situation die Fortsetzung der Arbeit in der Nachtschicht wegen der bevorstehenden Betriebsratstätigkeit unzumutbar ist.

Da über eine weitere Klageforderung des Arbeitnehmers das BAG nicht abschließend entscheiden konnte, wurde der Rechtsstreit an das zuständige LAG zurückverwiesen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Ein Betriebsratsmitglied, das zwischen zwei Nachtschichten außerhalb seiner Arbeitszeit tagsüber an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen hat, ist also berechtigt, die Arbeit einzustellen. Das betrifft in diesem Fall die Arbeit in der vorherigen Nachtschicht vor dem Ende der Schicht, wenn nur dadurch eine ununterbrochene Erholungszeit von elf Stunden am Tag gewährleistet ist.
Arbeitgeber werden dieses in ihre Planungen aufzunehmen haben. Denn natürlich gilt dieses Urteil nicht nur für Arbeiter in Nachtschicht. Und dieses Urteil wird vermutlich auch nicht nur für den Rechtsgedanken der Ruhezeit anzuwenden sein.

Aus Arbeitgebersicht steht zu befürchten, dass grundsätzlich nun auch der 8-Stunden-Tag als zentrale Arbeitnehmerschutzvorschrift unter Einbeziehung der Betriebsratssitzung zu beachten ist. Ist also morgens um 8:00 Uhr Arbeitsbeginn und um 16:00 Uhr beginnt die Betriebsratssitzung, stellt sich offensichtlich das nächste Problem in der Praxis. Und einfache Lösungen sind nicht in Sicht. Wenn alle Arbeitnehmer den gleichen Arbeitsbeginn haben, ist die Lösung natürlich naheliegend. Beginnen Arbeitnehmer jedoch zu unterschiedlichen Zeiten, ist die Einhaltung der Grundsätze des Arbeitszeitgesetzes alles andere als einfach.

Praxishinweis

Eines der wichtigsten Rechte von Betriebsräten ist das Recht auf Arbeitsfreistellung.
Es kann entstehen

  • aus einem konkreten Anlass,
  • aufgrund der Betriebsgröße oder
  • zum Erwerb von erforderlichen und geeigneten Kenntnissen.

Nach dieser Entscheidung des BAG dürften jedenfalls für die ersten beiden Punkte die Grundsätze des Arbeitszeitgesetzes, also insbesondere die Höchstarbeitszeit und die Dauer der Ruhezeit maßgeblich sein.

Wichtig ist auch: Der Arbeitgeber muss der Arbeitsbefreiung nicht zustimmen. Das Betriebsratsmitglied hat dem Arbeitgeber jedoch so früh wie möglich die Arbeitsbefreiung mitzuteilen und sich vor dem Verlassen des Arbeitsplatzes abzumelden. Dabei muss es den Grund der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit nicht angeben. Selbst eine Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit erfolgen muss, gilt als Arbeitsbefreiung, notfalls sogar gegen Mehrarbeitsvergütung. Und selbst dabei ist die Ruhezeit nach diesem Urteil des Bundesarbeitsgerichts nun einzuhalten.

Bei jedem berechtigten Anspruch auf Freistellung von der Arbeit hat das Betriebsratsmitglied natürlich Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung. Es gilt das Lohnausfallprinzip. Es ist also vom Arbeitgeber die Vergütung weiter zu zahlen, die das Betriebsratsmitglied voraussichtlich bezogen hätte.

BAG, Urt. v. 18.01.2017 - 7 AZR 224/15

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader