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Erlass- und Aufhebungsverträge: AGB-Recht anwendbar

Ein zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossener Vertrag über den Erlass von Versorgungsleistungen kann dem AGB-Recht unterliegen. Sind Klauseln weder überraschend noch unklar, sind sie regelmäßig wirksam. Das hat das BAG entschieden und damit wohl auch für Aufhebungsverträge eine wichtige Frage geklärt. Bei Erlass- und Aufhebungsverträgen ist für beide Seiten einiges zu beachten.

Sachverhalt

Ein Bankangestellter erhielt wie eine Vielzahl seiner Kollegen eine an der Beamtenversorgung orientierte Gesamtversorgung. Außerdem erhielt er ein „Versorgungsrecht“. Er wurde wie andere Arbeitnehmer auch beim Kündigungsschutz, der Beihilfe und der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ähnlich wie Beamte behandelt. Das Arbeitsverhältnis wurde dadurch sozialversicherungsfrei. Im Jahr 2009 beschloss die Bank eine Anstalt des öffentlichen Rechts – , die Gesamtversorgungszusage wegen ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage zu widerrufen und keine Versorgungsrechte mehr zu erteilen. Sie bot dafür eine beitragsorientierte betriebliche Altersversorgung an.

Der Bankangestellte und eine Vielzahl seiner Kollegen unterzeichneten ein von der Bank vorbereitetes Formular, durch das sie sich auch mit „der Einstellung der Erteilung“ des Versorgungsrechts „einverstanden“ erklärten. Zwei Jahre später entschied das BAG, dass Arbeitnehmer, die diese Erklärungen nicht unterschrieben hatten, einen Anspruch aus betrieblicher Übung auf Gewährung des Versorgungsrechts hatten. Deshalb zog der Bankangestellte vor Gericht und wollte feststellen lassen, dass die Bank auch bei ihm verpflichtet sei, ein Versorgungsrecht zu erteilen.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Mit seiner Klage hatte er allerdings keinen Erfolg. Durch das Unterschreiben der Erklärung kam eine Vereinbarung über eine Vertragsänderung zustande. Diese Vertragsänderung unterliegt der Inhaltskontrolle nach dem Recht über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Der Inhalt der Vereinbarung war aber weder unklar noch überraschend. Insgesamt war die Vertragsänderung nicht unangemessen und damit rechtmäßig.

Prüfungsmaßstab war für das Gericht der § 779 BGB. Von dessen Rechtsgrundsätzen wich die Vereinbarung allerdings nicht ab. § 779 Abs. 1 BGB besagt, dass ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich) unwirksam ist, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.

Folgerungen aus der Entscheidung

Möchte ein Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer ändern, unterliegt der Änderungsvertrag dem Recht über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Gerichte können also eine Inhaltskontrolle vornehmen. Das gilt aber selbstverständlich nur dann, wenn sich der Arbeitgeber auch auf die geänderten Regelungen einer Rechtsposition berühmt.

Praxishinweis

Nun ist endgültig klargestellt, dass auch auf solche nachträglichen Änderungen, wie hier durch den Erlassvertrag geschehen, das Recht über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Anwendung findet. Dieses Urteil wird letztendlich auch auf einen Aufhebungsvertrag Geltung haben, mit dem ein gesamtes Arbeitsverhältnis aufgelöst wird und in aller Regel auch eine Vielzahl weiterer Probleme einvernehmlich geklärt wird.

Sowohl in einem Erlassvertrag als auch einem Aufhebungsvertrag ist von Rechtsberatern an vieles zu denken. Nicht ohne Grund ist es für einen Arbeitnehmer ohne weitere Rechtsberatung kaum möglich, einen sinnvollen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Gut, dass wenigstens das Recht über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf seiner Seite stehen wird. Überraschende und unklare Klauseln gehen zulasten des Verwenders, in aller Regel zulasten des Arbeitgebers. Vor einem Erlassvertrag oder einem Aufhebungsvertrag sollten also beide Parteien dringend weiteren Rechtsrat suchen.

Gerade durch einen Aufhebungsvertrag und auch durch einen Erlassvertrag will der Arbeitgeber Sicherheit erlangen. Er möchte die Klarheit erreichen, dass der Arbeitnehmer nach Abschluss des Vertrags nicht doch noch vor die Arbeitsgerichte zieht und womöglich eine Kündigungsschutzklage einreicht.

Das ist in den Konstellationen, in denen der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt wird, ohnehin seit längerem nicht mehr möglich. Bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags ist also u.a. auf Folgendes zu achten:

  • Schriftform nach § 623 BGB mit vollständiger Unterschrift,
  • Belehrung über ein Widerrufsrecht, soweit erforderlich,
  • keine widerrechtliche Drucksituation für den Arbeitnehmer,
  • Verbot des Verzichts auf Urlaubsansprüche,
  • Verbot, auf tarifliche Ansprüche zu verzichten, soweit keine Öffnungsklausel vereinbart wurde,
  • Beratung hinsichtlich einer Ausgleichs- und Erledigungsklausel,
  • steuerliche Beratung hinsichtlich der Abfindungszahlung,
  • Zeitpunkt der Fälligkeit der Abfindung,
  • Vererbung einer Abfindungszahlung,
  • mögliche Sperrfrist beim Bezug des Arbeitslosengeldes,
  • Anrechnungsmöglichkeit der Abfindung auf das Arbeitslosengeld bei Nichteinhalten der Kündigungsfrist,
  • später einsetzende Arbeitslosengeldzahlung bei Urlaubsabgeltung,
  • Meldung des Arbeitnehmers bei der Arbeitsagentur binnen drei Tagen oder spätestens drei Monaten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses,
  • Übertragung der betrieblichen Altersversorgung,
  • bezahlte Freistellungsansprüche von der Arbeitsleistung,
  • Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit einer bestimmten Benotung,
  • Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses, falls das Arbeitsverhältnis erst später enden soll.

Der Erlassvertrag kann nur einzelne Punkte regeln, spannend ist insbesondere die Frage der Schriftform. Hier wird es im Einzelnen genau darauf ankommen, was Inhalt und Gegenstand des Erlassvertrags sind. Die Hilfe eines Rechtsberaters ist dringend angebracht – auf beiden Seiten.

BAG, Urt. v. 15.11.2016 - 3 AZR 539/15

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader