Erbrecht -

Fortgeltung einer transmortalen Vollmacht zugunsten des Vermächtnisnehmers

OLG München, Beschl. v. 15.11.2011 - 34 Wx 338/11

Eine transmortale notariell erteilte Vollmacht zugunsten eines Vermächtnisnehmers kann ohne Genehmigung des zugleich eingesetzten Testamentsvollstreckers zur Übertragung eines vermächtnisweise zugewandten Grundstückes befugen.

Darum geht es

Die Erblasserin verstarb Ende 2010. Im notariellen Testament vom 17.03.2009 hatte sie ihrem späteren Ehemann vermächtnisweise ihr „gesamtes restliches Vermögen mit Ausnahme meines Grundbesitzes in M ... und mit Ausnahme meines restlichen Geldvermögens" zugewandt. Befreiter Vorerbe wurde ihr Sohn. Die angeordnete Testamentsvollstreckung wurde von beiden Testamentsvollstreckern angenommen.

Neben dem Grundbesitz in M gehörte zum Nachlass ein weiteres Grundstück in R. Dieses Grundstück übertrug der Ehemann aufgrund einer ihm ebenfalls am 17.03.2009 von seiner Ehefrau und Erblasserin erteilte Vorsorgevollmacht an sich selbst zum Alleineigentum.

Die als „Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung" ausgestaltete Generalvollmacht sollte über den Tod hinaus Wirksamkeit entfalten und befreite von § 181 BGB.

Auf den notariellen Vollzugsantrag hat das Grundbuchamt mit fristsetzender Zwischenverfügung folgendes Eintragungshindernis aufgezeigt:

Zwar sei die Vorsorgevollmacht nach dem Tod der Erblasserin nicht erloschen und der Bevollmächtigte konnte wirksam im Namen der Erben verfügen, aber durch die angeordnete Testamentsvollstreckung sei die Verfügungsbefugnis von den Erben auf die Testamentsvollstrecker übergegangen. Daher konnte der Ehemann nicht im Namen der Erben das Grundstück in R auf sich übertragen. Da er das Grundstück nicht im Namen der Testamentsvollstrecker übertragen hat, sei deren Genehmigung in notarieller Form für die Wirksamkeit erforderlich.

Die beurkundende Notarin erhob hiergegen Beschwerde. Sie ist der Ansicht, dass sich die Rechte des Generalbevollmächtigten nicht von den durch die Testamentsvollstreckung beschränkten Erben, sondern allein von der frei verfügungsberechtigten Erblasserin ableiten.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die unbeschränkt und damit im Namen aller Beteiligten eingelegte Beschwerde gegen die Zwischenverfügung hatte Erfolg.

Nach Ansicht des OLG München bedarf es keiner Genehmigung der Grundstücksübertragung durch die beiden Testamentsvollstrecker in der Form des § 19 GBO.

Eine transmortale Vollmacht kann grundsätzlich selbständig neben einer Testamentsvollstreckung bestehen und dem Bevollmächtigten eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen.

Das OLG München sieht vorliegend nach vorgenommener Auslegung keine Kollision zwischen Testamentsvollstreckung und Bevollmächtigung.

Denn in der Vollmacht ist erwähnt, dass der Ehemann unentgeltlich im Anwesen R wohnen bleiben und dies verwalten darf. Zudem ergibt die Vollmachtsurkunde in ihrer Gesamtheit keine Anhaltspunkte dafür, sie (nach dem Tod) einschränkend zu interpretieren. Der Bevollmächtigte ist ausdrücklich von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Es besteht auch kein unauflöslicher Widerspruch zu den angeordneten Aufgabenkreisen der Testamentsvollstrecker. Zwar sind diese zur Erfüllung der Vermächtnisse berufen, aber diese Klausel widerspricht nicht zwingend der Bevollmächtigung. Sie entfaltet ihre volle Berechtigung erst dann, wenn die Vollmacht widerrufen oder von ihr kein Gebrauch gemacht wird.

Schließlich ist die vom Ehemann mit der Vollmacht vorgenommene Grundstücksübertragung vom Inhalt des im Testament zu seinen Gunsten angeordneten Vermächtnisses gedeckt.

Folgerungen aus der Entscheidung

Ob die Bevollmächtigung oder die Anordnung der Testamentsvollstreckung zuerst erfolgte, ist nebensächlich. Ob der Bevollmächtigte die Verfügungsbefugnis für das jeweilige Rechtsgeschäft besitzt, ist allein durch Auslegung zu ermitteln.

In der Regel wird der Erblasser nicht wollen, dass der Testamentsvollstrecker und der Bevollmächtigte nebeneinander mit gegenseitiger Störmöglichkeit agieren können. Jedoch sind - wie vorliegend - auch Konstellationen denkbar, in denen ein Rechtsgeschäft des Bevollmächtigten aus Sicht des Erblassers und Vollmachtgebers nicht mit den Befugnissen und Aufgaben des Testamentsvollstreckers kollidiert und beide alternativ ein bestimmtes Rechtsgeschäft ausführen können. Für die vom Grundbuchamt oder vom Gericht vorzunehmende Auslegung gem. § 133 BGB sind auch außerhalb der Urkunden liegende Umstände zu berücksichtigen.

Praxishinweis

Aus der Sicht der Erben ist es meist ratsam, erteilte Vorsorge- oder Bankvollmachten möglichst rasch zu widerrufen. Bei Erbengemeinschaften kann jeder Miterbe bestehende Vollmachten ohne Mitwirkung der anderen Miterben widerrufen. Die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten bleibt dann allerdings gegenüber den nicht widerrufenden Miterben bestehen. Allerdings kann der Bevollmächtigte dann nicht mehr alleine wirksam über die in die Erbengemeinschaft fallenden Nachlassgegenstände verfügen.

Quelle: RA Ralf Mangold - vom 31.01.12