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Erbrecht -

Testament: Folgen einer unklaren Erbenbezeichnung

Ein Erblasser muss in einem Testament den Bedachten zwar nicht individuell bezeichnen, der Bedachte muss aber - ggf. durch Auslegung - konkret bestimmbar sein. Das hat das OLG Karlsruhe klargestellt. Im Streitfall hatte ein Ehepaar den Nacherben des Sohnes nur als Person beschrieben, die es „besonders gut konnte“ mit ihm. Die Betreuerin des Sohnes machte die Nacherbschaft geltend.

Darum geht es

Ein Ehepaar hatte zunächst im Jahr 1970 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, mit dem der von der Ehefrau in die Ehe eingebrachte uneheliche, behinderte Sohn zum Alleinerben eingesetzt worden war.

In einem eigenhändigen Testament aus dem Jahr 1994 verfügten das Ehepaar dann, dass für den behinderten Sohn „eine geeignete Familie“ gefunden werden solle, die ihn versorgt. Nach dem Tod des Sohnes solle „diejenige Person erben, die es besonders gut konnte mit E [dem Sohn]“.

Der Sohn stand unter gesetzlicher Betreuung. Nachdem der Sohn im Jahr 2022 verstorben war, beantragte die Betreuerin einen Erbschein, weil sie mit Eintritt des Nacherbfalls aufgrund des Testaments von 1994 Alleinerbin geworden sei.  

Das Nachlassgericht sah den Sohn aber als Schlusserben aufgrund des Testaments von 1970 an. Der ursprüngliche Erbschein bleibe weiterhin gültig. Ein vorheriger Einziehungsbeschluss wurde aufgehoben.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts hatte beim OLG Karlsruhe keinen Erfolg. Die Betreuerin ist demnach aufgrund des Testaments von 1994 nicht Nacherbin geworden.

Die Frage, ob eine Nacherbeneinsetzung wegen der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments von 1970 ausscheide, bedürfe keiner Entscheidung, weil ein (möglicher) Nacherbe nicht hinreichend bestimmbar sei.

Aus § 2065 BGB ergebe sich, dass der Erblasser sich selbst über den Inhalt aller wesentlichen Teile seiner letztwilligen Verfügung schlüssig werden müsse.

Demnach müsse der Erblasser den Bedachten zwar nicht individuell bestimmt bezeichnen - er müsse ihn aber so genau bezeichnen, dass der Bedachte - ggf. mit Hilfe gesetzlicher Auslegungsregeln - ermittelt werden könne. 

Der Bedachte müsse zum Zeitpunkt des Erbfalls durch jede sachkundige Person anhand objektiver Kriterien bezeichnet werden können. Die Formulierung, dass diejenige Person erben solle, „die es besonders gut konnte mit E [dem Sohn]“ sei zu vage und unbestimmt, da sie für jede denkbare Art menschlicher Beziehungen gebraucht werden könne.

Mit dem Testament aus dem Jahr 1994 wurde nach dem Gericht daher keine wirksame Nacherbeneinsetzung verfügt. 

Daran ändere auch das sehr gute Verhältnis der Betreuerin zum betreuten Sohn nichts. Die Auslegung des Testaments lege sogar eher den Schluss nahe, dass dem Erblasser eine Person aus dem Kreis einer zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch ungewissen „Ersatzfamilie“ für den behinderten Sohn vor Augen gestanden habe.

Nach dem Gericht wäre die Bestimmung eines Nacherben nur über eine Wertung anhand eigener Kriterien möglich - was aber nach § 2065 BGB unzulässig sei.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.07.2025 - 14 W 36/24 (Wx) 

Quelle: Justiz Baden-Württemberg - Landesrecht BW

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