Erbrecht -

Gemeinschaftliches Testament durch späteren Beitritt eines Ehepartners

OLG München, Beschluss vom 01.12.2011 - 31 Wx 249/10

Ein gemeinschaftliches Testament kann auch durch den späteren Beitritt eines Ehepartners errichtet werden, solange der Ersttestierende zum Zeitpunkt des Beitritts nach wie vor den Willen für eine gemeinschaftliche Errichtung hat.

Darum geht es

Der Erblasser war seit 1995 in zweiter Ehe verheiratet. Seine erste Ehefrau, mit der er zwei gemeinsame Kinder hat, verstarb 1992. Das gemeinsame Testament aus der ersten Ehe lautet wie folgt:

„Gemeinschaftliches Testament - Wir, die Eheleute (...) bestimmen für den Fall unseres Todes was folgt: Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu befreiten Vorerben unseres derzeitigen Nachlasses ein, d.h., der Überlebende ist von sämtlichen im Gesetz vorgeschriebenen Beschränkungen befreit und kann frei und unbeschränkt über den Nachlass verfügen. Als Nacherben setzen wir unsere Kinder zu gleichen Teilen ein. (...)

(Ort), den 19. Februar 1971 (Unterschrift des Erblassers)
(Ort), den 20. März 1977 (Unterschrift des vorverstorbenen Ehefrau)"

Nach dem Tod der ersten Ehefrau erteilte das Nachlassgericht auf Antrag dem Ehemann einen Alleinerbschein ohne Nacherbenvermerk. Bei der Übersendung des „gemeinsamen Testaments von meiner verstorben Ehefrau und mir" an das Nachlassgericht hatte er nachvollziehbar vorgetragen, dass er und seine Ehefrau die Begrifflichkeiten Vor- und Nacherbschaft nicht kannten und eigentlich eine gegenseitige Alleinerbensetzung sowie eine Schlusserbeneinsetzung der Kinder wollten.

Der Erblasser errichtete schließlich 2004 ein weiteres Testament, in dem er seine zweite Ehefrau als Alleinerbin einsetzte. 2008 haben der Erblasser und seine zweite Ehefrau darüber hinaus einen Erbvertrag geschlossen, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten.

Ein Sohn des Erblassers beantragte nach dessen Tod einen Erbschein nach dem Testament von 1971/1977, der ihn und seinen Bruder zu Miterben zu 1/2 auswies.

Die zweite Ehefrau hat dem widersprochen. Sie ist der Ansicht, dass sie aufgrund des Erbvertrags von 2008 Alleinerbin des Erblassers wurde. Vorsorglich erklärte sie zudem die Anfechtung des Testaments von 1971/1977 wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten und wegen Irrtums des Erblassers über die Bindungswirkung der Schlusserbeneinsetzung. Das Nachlassgericht erteilt den Kindern den Erbschein wie beantragt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.Auch das OLG München ist der Auffassung, dass es sich bei dem Testament von 1971/1977 um eine gemeinschaftliche Erklärung der Eheleute handelt. Mit der Beitrittserklärung hat die erste Ehefrau zum Ausdruck gebracht, dass sie im Einklang mit dem Willen des Ehemanns ein gemeinschaftliches Testament i.S.d. §§ 2265 ff. BGB errichten wollte. Dem steht auch nicht entgegen, dass die schriftliche Erklärung der ersten Ehefrau erst etwa sechs Jahre nach der Niederschrift des Erblassers erfolgte. Ein gleichzeitiges Testieren ist nicht erforderlich. Voraussetzung für ein gemeinschaftliches Testament ist in solchen Fällen lediglich, dass der Ehepartner, der seine Erklärung schon zu einem vorherigen Zeitpunkt abgegeben hat, auch noch zu dem späteren Zeitpunkt der Erklärung des anderen Ehepartners einen gleichlautenden Willen hat.

Diese Voraussetzung wurde hier durch das Verhalten des Erblassers nach dem Tod der Ehefrau erfüllt, in dem er sich gegenüber dem Nachlassgericht auf das „gemeinsame Testament von meiner verstorben Ehefrau und mir" bezogen und einen Alleinerbschein auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments beantragt hat.

Der Erblasser war auch an die durch seine Einlassung gegenüber dem Nachlassgericht erfolgte gemeinsame Schlusserbeneinsetzung im gemeinschaftlichen Testament von 1971/1977 gebunden. Denn die Schlusserbeneinsetzung der Kinder war mit der gegenseitigen Alleinerbensetzung des Erblassers und der ersten Ehefrau wechselbezüglich i.S.d. § 2270 BGB. Der Erblasser war daher analog § 2289 Abs. 1 Satz 1 BGB gehindert, abweichend vom gemeinschaftlichen Testament mit der ersten Ehefrau zugunsten der zweiten Ehefrau zu testieren.

Auch berechtigt ein Irrtum über die Bindungswirkung nicht zur Anfechtung gem. § 2278 BGB. Denn dabei handelt es sich lediglich um einen unbeachtlichen Rechtsfolgeirrtum.

Schließlich greift auch nicht die Anfechtung der zweiten Ehefrau gem. § 2079 BGB wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten durch. Nach § 2285 BGB besteht das Anfechtungsrecht des Dritten nicht mehr, wenn das Anfechtungsrecht des Erblassers zur Zeit des Erbfalls erloschen ist. Unter Beachtung der einjährigen Anfechtungsfrist des § 2283 Abs. 1 BGB war das Anfechtungsrecht damit spätestens ein Jahr nach der zweiten Eheschließung (1995) erloschen. Die zweite Ehefrau konnte daher im Jahr 2010 nicht mehr die Schlusserbeneinsetzung im Testament von 1971/1977 anfechten.

Folgerungen aus der Entscheidung

Damit überhaupt ein wirksamer Beitritt erfolgen kann, muss der mitunterzeichnende Ehegatte seine Unterschrift in jedem Fall noch zu Lebzeiten des anderen Ehegatten unter das Testament setzen. Auch genügt eine vorab erteilte Blankounterschrift eines Ehegatten nicht den Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 2267 BGB.

Quelle: RA Ralf Mangold - vom 17.01.12