Erbrecht -

Gemeinschaftliches Testament: Entfallen der Wechselbezüglichkeit

OLG München, Beschl. v. 28.03.2011 – 31 Wx 93/10

Die Wechselbezüglichkeit eines gemeinschaftlichen Testaments entfällt nicht allein deswegen, weil ein Ehegatte nach dem Tod des anderen Ehegatten erhebliches Vermögen von der eigenen Verwandtschaft erbt.

Darum geht es:

Die verwitwete Erblasserin verstarb 2009. Sie hatte keine eigenen Kinder. Ihr Ehemann ist bereits 1983 vorverstorben. In dem 1982 von den Eheleuten errichteten gemeinschaftlichen Testament setzten sie sich gegenseitig als alleinige Erben ein. Schlusserben des Letztversterbenden sollten die Kinder des Ehemannes aus erster Ehe, der Beteiligte zu 1 sowie dessen Schwester werden. Als die Schwester 2006 verstarb, hinterließ sie einen Sohn, den Beteiligten zu 2.

Im Jahr 2007 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament, in dem sie ihre Nichte, die Beteiligte zu 3, als Alleinerbin einsetzte. Der Nachlass stammte im Wesentlichen aus einer Erbschaft, die der Erblasserin erst nach dem Tod des Ehemannes zufiel.

Die Beteiligte zu 3 beantragte daraufhin einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist. Die Beteiligten zu 1 und 2 traten dem entgegen und beantragten ebenfalls einen Erbschein, der sie als Miterben zu jeweils 1/2 ausweist.

Das Nachlassgericht erteilte den Beteiligten zu 1 und 2 den beantragten Erbschein. Hiergegen legte die Beteiligte zu 3 Beschwerde ein. Sie ist der Ansicht, dass das Nachlassgericht rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gekommen ist, die Erbfolge richte sich ausschließlich nach dem gemeinschaftlichen Testament von 1982. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Das OLG begründet seine Entscheidung damit, dass die im gemeinschaftlichen Testament von 1982 angeordnete Schlusserbeneinsetzung zu der eigenen Einsetzung als Alleinerbin des Ehemannes wechselbezüglich im Sinne des § 2270 BGB ist und die Erblasserin in entsprechender Anwendung des § 2289 Abs.1 Satz 2 BGB daran gehindert war, die Erbeinsetzung nach ihrem Ableben davon abweichend zu regeln.

Das Gericht legt das gemeinschaftliche Testament dahingehend aus, dass der Beteiligte zu 2 im Wege der Ersatzerbfolge an die Stelle seiner Mutter, – der Schwester der Beteiligten zu 1 –, getreten ist und bei dieser daher keine Anwachsung im Sinne des § 2094 BGB eintrat. Gemäß § 2099 BGB geht das Recht des Ersatzerben dem Anwachsungsrecht grundsätzlich vor. Zwar gab es im gemeinschaftlichen Testament keine ausdrückliche Ersatzerbenregelung, die Erblasser wollten aber gerade nicht eines der Kinder des Ehemannes bevorzugen. Sie wollten vielmehr den Nachlass gleichmäßig verteilt wissen und haben bewusst eine Verteilung nach Stämmen vorgenommen. Eines Rückgriffs auf die Auslegungsregel des § 2069 BGB bedurfte es deshalb nicht.

Das OLG begründet ausführlich die Wechselbezüglichkeit innerhalb der testamentarischen Verfügungen der Eheleute.

Wollen die Testierenden ihr Vermögen an die Kinder weitergeben und enterben sie dennoch für den ersten Todesfall, ist davon auszugehen, dass sie dies im Vertrauen darauf tun, dass das Vermögen wegen der Schlusserbeneinsetzung eines Tages auf die Kinder übergeht. Das Gesetz schützt dieses Vertrauen des Testierenden, indem es regelt, dass gem. § 2271 Abs.2 Satz 1 BGB das Recht zum Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen mit dem Tod des anderen Ehegatten erlischt.

Durchgreifende Gründe, die gegen eine Wechselbezüglichkeit sprechen, wurden nicht vorgetragen. Maßgeblich für die Ermittlung des Erblasserwillens im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit ist der Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Das Ableben des Bruders war zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung jedoch nicht absehbar.

Auch einer Abänderungsbefugnis im Hinblick auf die Schlusserbeneinsetzung wegen des völlig unerwarteten Vermögenszuwachses durch das nachträglich ererbte Vermögen erteilt das Gericht eine Absage.

Zwar könnte sich im Wege der ergänzenden Auslegung des gemeinsamen Willens der Eheleute bei der Testamentserrichtung eine solche Abänderungsbefugnis für den Letztversterbenden ergeben. Die Abänderungsbefugnis würde sich dann jedoch ausschließlich auf das unerwartet ererbte Vermögen beschränken. Daher war eine vollständige Änderung der Schlusserbeneinsetzung im vorliegenden Fall ausgeschlossen.

Nach Ansicht des Gerichts ist auch kein zur Anfechtung des gemeinschaftlichen Testaments berechtigter Irrtum gegeben. Insbesondere eine Anfechtung wegen eines Irrtums über die Bindungswirkung ist ausgeschlossen.

Folgerungen aus der Entscheidung:

War der Längstlebende aufgrund der Wechselbezüglichkeit bzw. Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments mit seinem Ehepartner an einer anderweitigen Erbeinsetzung gehindert, könnte eine dennoch vorgenommene unwirksame Erbeinsetzung als Vermächtnis eines abgrenzbaren Vermögensanteils auszulegen sein. Dies deutet auch das OLG in der vorliegenden Entscheidung an. Für die Beteiligte zu 3 gilt es daher zu prüfen, ob Sie außerhalb des Erbscheinsverfahrens versucht, einen Vermächtnisanspruch geltend zu machen.

Praxishinweis:

Ist aufgrund der Wechselbezüglichkeit eines gemeinschaftlichen Testaments eine anderweitige Verfügung unwirksam, bietet sich möglicherweise eine Ergänzung des ersten Testaments an.
Ein unerwarteter Vermögenszuwachs (z.B.:Erbschaft, Gewinn, etc.) könnte so durch ein Vermächtnis an eine andere Person als den Schlusserben oder an nur einen von mehreren Schlusserben weitergeben werden. Diese Vorgehensweise sollte im ergänzenden Testament ausführlich begründet werden. Selbstverständlich kann auf diesem Wege nur das unerwartet hinzugekommene Vermögen und nicht ein vorher vorhandener Vermögensteil anderweitig letztwillig verfügt werden. Eine gänzlich rechtssichere Gestaltung ist hier aber wohl kaum möglich.

Quelle: RA Ralf Mangold - vom 17.05.11