Erbrecht -

Mieter verstorben - Erben unbekannt

OLG München, Beschl. v. 20.03.2012 - 31 Wx 81/11

Die Nachlasspflegschaft ist bei einem Antrag des Vermieters bei einer anstehenden Räumung der vom Erblasser angemieteten Wohnung nicht auf den Wirkungskreis der Beendigung zu beschränken, sondern auf die gesamte Abwicklung des Mietverhältnisses zu erweitern.

Darum geht es

Die Erblasserin verstarb vermögenslos. Eine Verfügung von Todes wegen hat sie nicht errichtet. Die Anschriften der gesetzlichen Erben, von denen möglicherweise einer in Russland lebt, sind nicht bekannt.

Die Erblasserin war Mieterin. Ihre Vermieterin stellte beim Nachlassgericht den Antrag, einen Nachlasspfleger zur Kündigung, Räumung und Abwicklung des Mietverhältnisses zu bestellen. Daraufhin bestellte das Amtsgericht am 15.02.2011 auch eine Nachlasspflegerin mit dem eingeschränkten Wirkungskreis „Beendigung des Mietverhältnisses des Erblassers".

Nachdem das Mietverhältnis gekündigt war, stellte die Vermieterin nochmals den Antrag, die Nachlasspflegschaft auf die Bereiche Räumung und Abwicklung von Ansprüchen aus dem Mietverhältnis zu erweitern.

Dieser Antrag wurde vom Nachlassgericht durch Beschluss vom 27.01.2012 zurückgewiesen. Der eingelegten Beschwerde wurde nicht abgeholfen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat nach Ansicht des OLG München Erfolg. Sie ist statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschluss vom 15.02.2011 dahingehend ausgelegt werden kann, dass die Nachlasspflegschaft auch die (erneut) beantragte Räumung und Abwicklung des Mietverhältnisses umfassen soll. Denn der Beschluss vom 27.01.2012 steht jedenfalls einer solchen sachgerechten Auslegung entgegen.

Die Beschwerde ist auch begründet. Nach § 1961 BGB hat das Nachlassgericht auf Antrag einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn gem. § 1960 Abs. 1 BGB der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat.

Die Erben sind hier unbekannt, da das Nachlassgericht diese noch nicht ermittelt hat. Die Vermieterin ist antragsberechtigt, da sie einen Anspruch auf Rückgabe der Mietsache gegen den Nachlass behauptet. Dass nicht gleich der Prozessweg beschritten werden kann/soll, ist nach allgemeiner Meinung unerheblich.

Das Verfahren wurde daher zur Bestellung des Nachlasspflegers an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Das Nachlassgericht wollte mit der ursprünglichen Zurückweisung der Beschwerde wohl erreichen, dass die Räumung der Wohnung nicht auf Staatskosten erfolgt.

Das Oberlandesgericht weist in seinem Beschluss darauf hin, dass dieses Ansinnen natürlich nicht durch die Nichtbestellung eines Nachlasspflegers erreicht werden kann. Vielmehr rät es, den Wirkungskreis des Nachlasspflegers um die Befähigung zur Stellung eines Antrags auf Nachlassinsolvenz (§ 1980 BGB) oder Erhebung der Dürftigkeitseinrede (§§ 1990, 1991 BGB) zu erweitern. Im letzteren Fall wäre nach der Erlangung eines Titels gegen die unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger, der Nachlass im Wege der Zwangsvollstreckung an die Vermieterin herauszugeben. Eine weitergehende Haftung wäre damit ausgeschlossen.

Praxishinweis

Für Vermieter ist es ein immer häufigeres Problem, dass Mieter versterben und (zunächst) keine Erben auffindbar sind. Häufig kommt noch hinzu, dass der Mieter überschuldet war.

Für den Vermieter stellt sich in diesen Fällen die Frage, wie er die Wohnung möglichst vermögensschonend kündigen und wieder vermieten kann.

Gemäß § 564 BGB steht dem Vermieter, gegenüber den Erben ein Sonderkündigungsrecht zu, wenn niemand in den Mietvertrag eintritt. Er kann innerhalb eines Monats nach Kenntnis über den Todesfall bzw. nach Kenntnis zur Person des Erben das Mietverhältnis mit einer Frist von drei Monaten kündigen.
Für das Kündigungsschreiben, das an jeden einzelnen Miterben zu richten ist, muss er jedoch selbst herausfinden, wer Erbe wurde oder beim Nachlassgericht zugunsten der unbekannten Erben eine Nachlasspflegschaft gem. §§ 1960, 1961 BGB beantragen.

Ist der Nachlass überschuldet oder die Zusammensetzung des Nachlasses dem Nachlassgericht unbekannt, gibt es wegen der unsicheren Kostendeckung bei den Nachlassgerichten meist Widerstände bei der Bestellung eines Nachlasspflegers.

Häufig bleibt dem Vermieter hier nichts anderes übrig, als eigene Recherchen über das Nachlassvermögen anzustellen oder sich für die Übernahme der Kosten der Nachlasspflegschaft stark zu machen.

Unter Umständen ist es für den Vermieter sogar günstiger, für die Kosten eines Nachlasspflegers mit dem engen Wirkungskreis „Kündigung und Abwicklung des Mietverhältnisses" einzustehen und die Wohnung zeitnah wieder vermieten zu können, als die Wohnung über lange Zeit ungekündigt zu lassen.

Der Vermieter kann beim Nachlassgericht zudem über § 13 FamFG Akteneinsicht beantragen oder unter Umständen auch gem. § 62 PStG (Personenstandsgesetz) eigene Nachforschungen beim Standesamt anstellen. Zur Glaubhaftmachung des berechtigten Interesses dürfte die Vorlage des Mietvertrages ausreichen.

Sobald ein Nachlasspfleger vom Nachlassgericht bestellt ist, kann der Vermieter zum Beispiel die Kündigung erklären, das Vermieterpfandrecht geltend machen, einen Räumungsantrag stellen oder einen Mietaufhebungsvertrag schließen.

Quelle: RA Ralf Mangold - vom 08.06.12