Erbrecht -

Nachlasspflegerbestellung wegen Vaterschaftsfeststellungsverfahren

SchlHOLG, Beschl.v. 20.05.2011 - 3 Wx 51/11

Läuft ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren, kann ein Nachlasspfleger bestellt werden, wenn die Anfechtung des Testaments angekündigt wurde. Dies gilt auch dann, wenn im Testament ein Testamentsvollstrecker benannt wurde.

Darum geht es:

Nach dem Tod seiner Ehefrau errichtete der Erblasser am 09.12.2009 in zulässiger Abänderung der Schlusserbenfolge eines handgeschriebenen gemeinschaftlichen Testaments ein weiteres notarielles Testament, in dem er elf Personen– die Beteiligten zu 2. und 3. sowie zu 5. bis 13.– jeweils mit prozentualen Anteilen zu seinen Erben bestimmte. Zudem setzte er mehrere Vermächtnisse aus. Zum Testamentsvollstrecker bestimmte er einen Rechtsanwalt und Steuerberater, den Beteiligten zu 14. In der Vorbemerkung zum notariellen Testament erklärte er unter anderem, dass er keine Abkömmlinge habe.

Kurz nach dem Tod des Erblassers am 08.07.2010 meldete sich die Beteiligte zu 1. beim Nachlassgericht und teilte mit, dass sie die leibliche Tochter des Erblassers und dass ein Verfahren zum Nachweis der Vaterschaft anhängig sei.
Sie beantragte, derzeit keinen Erbschein auszustellen und legte ein Abstammungsgutachten vor, das den Erblasser nach dem Verfahren Essen-Möller zu 99,99999 % als Vater der Beteiligten zu 1. auswies. Weiter führte sie aus, dass sie erst im Dezember 2009 von ihrer Mutter erfahren habe, dass der Erblasser ihr leiblicher Vater sei.
Sie beantragte weiterhin, den Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses des Beteiligten zu 14. zurückzuweisen. Gleichzeitig erklärte sie die Anfechtung der beiden letztwilligen Verfügungen des Erblassers und beantragte die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft. Zur Begründung führte sie aus, dass der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage und im Bewusstsein, eine Tochter zu haben, die testamentarischen Verfügungen nicht in der Weise getroffen hätte. Die Nachlasspflegschaft sei nötig, da derzeit Unklarheit über die Person des Erben und ein dringendes Fürsorgebedürfnis zur Sicherung des Nachlasses bestehen.

Mit Beschluss vom 24.03.2011 bestellte das AG Pinneberg einen Nachlasspfleger für die unbekannten Erben mit dem Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Ermittlung der Erben.
Das Nachlassgericht half der von den Beteiligten zu 2. und 3. eingelegten Beschwerde teilweise ab und begrenzte die Nachlasspflegschaft auf den Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses.

Zwischenzeitlich haben die Beteiligten zu 2. und 3. ihren Vortrag dahingehend ergänzt, dass die Beteiligte zu 1. schon 2005 wusste, dass sie die Tochter des Erblassers sei und dass das Vaterschaftsfeststellungsverfahren wegen Verfristung scheitern werde. Eine Kopie einer Vaterschaftsanalyse von 2005, die den Erblasser zu 99,9517 % als Vater ausweist, sei vom Faxgerät der Beteiligten zu 1. versandt worden.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Die Beschwerde hat, soweit ihr nicht schon durch das Nachlassgericht abgeholfen wurde, keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Nachlasspflegers liegen vor.
Ein mögliches nichteheliches Kind ist vor der Feststellung der Vaterschaft als „unbekannter Erbe“ i.S.d. § 1960 BGB anzusehen. Zumindest dann, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Vaterschaft spricht.

Vorliegend gibt es zwei Gutachten, nach denen die Beteiligte zu 1. mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99999 % bzw. 99,9517 % die Tochter des Erblassers ist.
Auch wenn das Vaterschaftsgutachten aus dem Jahr 2005 laut des aufgedruckten Sendeberichts vom Fax der Beteiligten zu 1. gesendet worden ist, sind verschiedene Gründe denkbar, die gegen eine Kenntnis i.S.d. § 1600 b BGB und damit gegen eine Verfristung des Vaterschaftsfeststellung sprechen.

Hinzu kommt, dass die Anordnung einer Nachlasspflegschaft auch bei einer Ungewissheit über die Person des Erben gerechtfertigt ist, wenn eine Anfechtung der letztwilligen Verfügung nach § 2079 BGB ernsthaft angekündigt wurde und in Betracht kommt.

Ein erforderliches Fürsorgebedürfnis liegt ebenfalls vor. Zwar wird ein solches regelmäßig entfallen, wenn der Erblasser eine Testamentsvollstreckung angeordnet hat. Allerdings steht im zugrunde liegenden Fall gerade die angeordnete Testamentsvollstreckung in Frage, wenn die Vaterschaft festgestellt und die letztwillige Verfügung angefochten wird.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Erblasser testamentarisch insgesamt elf Erben bestimmt hat, ist bei einer Anfechtung und der eventuell damit verbundenen Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1. die Aufrechterhaltung der Anordnung einer Testamentsvollstreckung eher unwahrscheinlich. Auch das Vorhandensein mehrerer testamentarischer Erben, die teilweise selbst mit Vollmachten ausgestattet sind, lässt im Hinblick auf den ersichtlichen Interessenwiderstreit ein Sicherungsbedürfnis nicht entfallen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Dieses Urteil ist in Bezug auf ein parallel zum Erbscheinsverfahren laufendes Vaterschaftsfeststellungsverfahren eher selten relevant.
Von großer Bedeutung für die Praxis dürfte jedoch sein, dass bei der Anfechtung eines Testaments, in dem ein Testamentsvollstrecker eingesetzt worden ist, dennoch ein Sicherungsbedürfnis bestehen kann, das zu einer Nachlasspflegerbestellung führt. Bisher gingen Rechtsprechung und Literatur überwiegend davon aus, dass ein Fürsorgebedürfnis in der Regel zu verneinen ist, wenn ein Testamentsvollstrecker oder ein Bevollmächtigter vorhanden ist.

Quelle: RA Ralf Mangold - vom 16.08.11