Erbrecht -

Neues Erbrecht ab 1. Januar 2010

Seit dem 01.01.2010 gilt ein reformiertes Erbrecht. Modernisiert wird vor allem das Pflichtteilsrecht, also die gesetzliche Mindestbeteiligung naher Angehöriger am Erbe.So soll zum Beispiel denen mehr Gerechtigkeit zuteilwerden, die Verstorbene vor deren Tod gepflegt haben. Die Verjährung erbrechtlicher Ansprüche wird insgesamt übersichtlicher gestaltet und an die geltenden Regeln des Schuldrechts angepasst.

Die wichtigsten Punkte der Reform im Überblick:

1. Modernisierung der Pflichtteilsentziehungsgründe (§ 2333 BGB n.F.)

Zwecks Stärkung der Testierfreiheit des Erblassers wurden die Gründe überarbeitet, die den Erblasser berechtigen, den Pflichtteil zu entziehen.

Der bisher geltende Entziehungsgrund des "ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels" entfällt.

Stattdessen berechtigt eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zur Entziehung des Pflichtteils, wenn es deshalb dem Erblasser unzumutbar ist, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen. Gleiches gilt bei Straftaten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden.

Ab 01.01.2010 gelten einheitliche Entziehungsgründe für Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten oder Lebenspartner. Die Differenzierung nach unterschiedlichen Personengruppen entfällt.

Auch nichteheliche Lebenspartner, Stief- und Pflegekinder werden in den Schutzbereich der Pflichtteilsentziehungsvorschriften einbezogen.

Beispiel: Wird der langjährige Lebensgefährte der Erblasserin durch ihren Sohn getötet oder die Tochter des Erblassers durch seinen Sohn körperlich schwer misshandelt, rechtfertigt dies künftig eine Entziehung des Pflichtteils.


2. Vereinfachtes Ausschlagungsrecht beim beschränkten oder beschwerten Pflichtteil

Die bisherige Fassung des § 2306 Abs. 1 BGB stellte eine für den pflichtteilsberechtigten Erben sehr komplizierte und in der Praxis oft schwer handhabbare Regelung dar. War der ihm hinterlassene Erbteil mit Beschränkungen oder Beschwerungen belastet, musste er innerhalb der kurzen Ausschlagungsfrist von regelmäßig sechs Wochen ermitteln, ob der hinterlassene Erbteil kleiner (bzw. gleich groß) oder größer als sein Pflichtteil ist. Nur im letzteren Fall konnte er ausschlagen und seinen vollen Pflichtteil fordern.

Neu: Ein Pflichtteilsberechtigter, der als Erbe eingesetzt, aber durch Nacherbschaft, Testamentsvollstreckung, Vermächtnisse etc. belastet wurde, soll künftig unabhängig von der Höhe des ihm Zugewandten das Wahlrecht haben:
•    ob er den zugewandten Erbteil (mit allen Belastungen) annimmt oder
•    seinen Erbteil ausschlägt und den Pflichtteil verlangt (§ 2306 Abs. 1 BGB n.F.)
(Streichung des bisherigen § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB);

Von Nachteil ist, dass Beschränkungen oder Beschwerungen nicht mehr, wie in der früheren Fassung des § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB, von selbst wegfallen.


3. Maßvolle Erweiterung der Stundungsgründe

Besteht das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem Eigenheim oder einem Unternehmen, das für die Familie die Lebensgrundlage bietet, mussten die Erben diese Vermögenswerte bislang oft nach dem Tod des Erblassers verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Die bisherige Stundungsregelung war jedoch eng ausgestaltet und stand nur den pflichtteilsberechtigten Erben offen.

Neu: Zukünftig kann jeder Erbe, nicht nur der selbst pflichtteilsberechtigte, Stundung verlangen. Außerdem reicht künftig bereits eine „unbillige Härte“ aus, wo die Pflichtteilserfüllung den Erben in der Vergangenheit „ungewöhnlich hart“ treffen musste.

Bei der Entscheidung über die Stundung sind aber auch künftig die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.

Beispiel: In Zukunft kann auch der Neffe, der sich sein Leben lang im Unternehmen engagiert und dieses dann geerbt hat , eine Stundung gegenüber den testamentarisch ausreichend versorgten, pflichtteilsberechtigten Kindern geltend machen, sofern die Erfüllung des Pflichtteils eine "unbillige Härte" darstellen würde. Damit wird der Zerschlagung von Vermögenswerten zulasten der Erben entgegengewirkt.


4. „Abschmelzungsmodell“ beim Pflichtteilsergänzungsanspruch

Macht der Erblasser vor seinem Tod anderen Geschenke, kann dies zu Ansprüchen auf Ergänzung des Pflichtteils gegen den Erben oder den Beschenkten führen. Durch diesen Anspruch wird der Pflichtteilsberechtigte so gestellt, als ob die Schenkung nicht erfolgt und damit das Vermögen des Erblassers durch die Schenkung nicht verringert worden wäre. Bislang wurde Schenkungen innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall in voller Höhe berücksichtigt. Waren hingegen seit einer Schenkung bereits 10 Jahre verstrichen, blieb die Schenkung vollständig unberücksichtigt.

Neu: Gleitende Ausschlussfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch: Herabsetzung des ergänzungspflichtigen Schenkungswerts um je 10 % für jedes Jahr, das seit der Schenkung verstrichen ist (§ 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB n.F.).

Somit findet künftig eine Schenkung für die Berechnung des Ergänzungsanspruchs graduell immer weniger Berücksichtigung, je länger sie zurück liegt: Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird demnach voll in die Berechnung einbezogen, im zweiten Jahr wird sie nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 und dann weiter absteigend berücksichtigt. Damit wird sowohl dem Erben als auch dem Beschenkten mehr Planungssicherheit eingeräumt.

Voraussetzung ist aber, dass eine Leistung i.S.v. § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB n.F. vorliegt und es sich nicht um eine Ehegattenschenkung i.S.v. § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB n.F. handelt.


5. Honorierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich

Zukünftig können Pflegeleistungen durch Abkömmlinge in Erbauseinandersetzungen in erhöhtem Umfang berücksichtigt werden. Erbrechtliche Ausgleichsansprüche gab es bisher nur für Abkömmlinge, die unter Verzicht auf eigenes berufliches Einkommen den Erblasser über längere Zeit gepflegt haben. Ein solcher Verzicht auf berufliches Einkommen ist in Zukunft nicht mehr erforderlich. Gem. § 2057 a BGB entsteht der Ausgleichsanspruch unabhängig davon, ob für die Pflegeleistungen auf eigenes berufliches Einkommen verzichtet wurde.

Beispiel: Die verwitwete Erblasserin wird über lange Zeit von ihrer berufstätigen Tochter gepflegt. Der Sohn kümmert sich nicht um sie. Die Erblasserin stirbt, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Der Nachlass beträgt 100.000 Euro. Die Pflegeleistungen sind mit 20.000 Euro zu bewerten. Derzeit erben Sohn und Tochter je zur Hälfte. Künftig kann die Schwester einen Ausgleich für ihre Pflegeleistungen aus dem Nachlass verlangen. Von dem Nachlass wird zunächst der Ausgleichsbetrag abgezogen und der Rest nach der Erbquote verteilt (100.000-20.000 = 80.000). Von den 80.000 Euro erhalten beide die Hälfte, die Schwester zusätzlich den Ausgleichsbetrag von 20.000 Euro. Im Ergebnis erhält die Schwester also 60.000 Euro, der Bruder 40.000 Euro.


6. Abkürzung der Verjährung von familien- und erbrechtlichen Ansprüchen

Zum 01.01.2010 wurde die dreißigjährige Sonderverjährung von Ansprüchen aus dem Erb- und Familienrecht aufgegeben. Die Neuregelung passt die Verjährung von familien- und erbrechtlichen Ansprüchen an die dreijährige Regelverjährung des § 195 BGB an. Die deutlich verkürzte Verjährung ist in Zukunft insbesondere auch für Vermächtnisansprüche und den Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gem. § 2314 BGB zu beachten.

Die Frist beginnt am Ende des Kalenderjahres, in dem der erbrechtliche Anspruch entstanden und der Anspruchsberechtigte hiervon Kenntnis erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt hat (§ 199 Abs. 1 BGB n.F.).

Sonderregelungen:

Die Herausgabeansprüche der §§ 2018, 2130 und 2362 BGB unterliegen auch weiterhin der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Beschenkten aus § 2329 BGB verjährt auch in Zukunft nach der Sonderregelung des § 2332 BGB (stichtagsgenaue 3-Jahres-Verjährung).

Quelle: BMJ - 28.12.2009 vom 13.01.10