Erbrecht -

Testament: Wirksamer Widerruf durch einen Dritten

OLG München, Beschl. v. 11.04.2011 - 31 Wx 33/11

Beauftragt der Erblasser einen Dritten mit der Vernichtung eines Testaments, darf er ihm keinen Entschluss- oder Handlungsspielraum belassen. Ein Widerruf nach dem Tod des Erblassers ist unwirksam.

Darum geht es:

Die verwitwete Erblasserin starb im Mai 2010. Die Beteiligten zu 1 und zu 2 sind ihre Töchter, die Beteiligten zu 3 und zu 4 sind die Kinder der Beteiligten zu 1 und Enkel der Erblasserin.

Es liegen zwei handschriftlich verfasste Testamente vor. Im Testament vom 31. 5. 2009 bestimmte die Erblasserin wörtlich: „Meine Töchter C. und E. sollen meine Erbinnen zu gleichen Teilen werden. Meine Enkel H. und M. sollen Nacherben zu gleichen Teilen nach meinen Töchtern C. und E. werden.“

Das spätere Testament vom 23.06.2009 lautet auszugsweise: „Für den Fall meines Ablebens verfüge ich über mein Vermögen wie folgt: Meine beiden Töchter C.W. und E.J. erhalten mein Haus zu gleichen Teilen. Barvermögen fällt an meine Tochter C. als Ausgleich für die seinerzeitige Übereignung des angrenzenden Grundstücks.“

Beide Testamente wurden in einem verschlossenen Umschlag vom Neffen der Erblasserin beim Nachlassgericht abgegeben. Dieser hatte im Auftrag der Erblasserin die Testamente verwahrt.

Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem Hausgrundstück. Die Beteiligte zu 2 hat einen Erbschein beantragt, der sie nach Maßgabe des späteren Testaments vom 23.06.2009 mit der Beteiligten zu 1 als Miterbin zu gleichen Teilen ausweist.

Dem traten die Beteiligten zu 1 und zu 3 entgegen. Sie tragen vor, dass nach dem zuerst im Winter 2009 und nochmals im Frühjahr 2010 geäußerten Willen der Erblasserin das später errichtete Testament vom 23.06.2009 durch den Neffen hätte vernichtet werden sollen. Den Auftrag der Vernichtung hätte der Beteiligte zu 3 dem Neffen übermitteln sollen. Das das Testament nicht vernichtet wurde, könne nicht zu Lasten des Erblasserwillens gehen, zumal die Erblasserin selbst zur Vernichtung körperlich nicht mehr in der Lage war. Das Nachlassgericht hat den Erbschein jedoch wie beantragt bewilligt.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist nicht begründet.
Gemäß § 2258 Abs. 1 BGB wird durch die Errichtung eines Testaments ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht. Da die Erblasserin im später errichteten Testament vom 23.06.2009 umfassend und abschließend über das gesamte Vermögen verfügt und der Inhalt dieses Testaments ein anderer als bei dem früher errichteten Testament vom 31.05.2009 war, ist damit für die Erbfolge das Testament vom 23.06.2009 maßgeblich.

Die Erblasserin hat das Testament vom 23.06.2009 nicht wirksam i.S.d. § 2258 Abs.2 BGB widerrufen. Deshalb konnte es nicht zu einer erneuten Wirksamkeit des Testaments vom 31.05.2009 kommen.

Für einen wirksamen Widerruf nach § 2255 BGB bedarf es subjektiv der Absicht einer Testamentsaufhebung (Aufhebungswille) und objektiv der persönlichen körperlichen Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde (Einwirkungshandlung). Dabei kann es auch als persönliches Handeln des Erblassers angesehen werden, wenn der Erblasser sich eines Dritten als unselbständigem Werkzeug ohne eigenen Entschluss- oder Handlungsspielraum bedient und dieser die Testamentsurkunde vernichtet.

Da jedoch vorliegend die Testamentsurkunde vom 31.05.2009 weder durch die Erblasserin noch durch den Neffen vernichtet oder verändert wurde, liegt kein wirksamer Widerruf vor.

Durch die Zwischenschaltung des Beteiligten zu 3 als Übermittler des Vernichtungsauftrags konnte der Neffe zudem auch nicht als unselbständiges Werkzeug der Erblasserin angesehen werden.

Folgerungen aus der Entscheidung

Mit dieser Entscheidung erarbeitet das OLG München die in Rechtsprechung und Literatur genannten Voraussetzungen für den Widerruf eines Testaments durch höchstpersönliche Vernichtung oder Veränderung (§ 2255 BGB). Insbesondere wird im Beschluss umfassend auf die mögliche Vernichtung des Testaments durch einen Dritten als Werkzeug des Erblassers ohne eigenen Ermessensspielraum eingegangen.

Ergänzend ist anzuführen, dass der Dritte die Vernichtung noch zu Lebzeiten des Erblassers vorgenommen haben muss und dass kein wirksamer Widerruf vorliegt, wenn der Dritte entgegen dem Willen des Erblassers das Testament nicht vernichtet. Hat der Dritte das Testament nicht vernichtet, weil er selbst darin als Erbe eingesetzt war, kann über seine Erbunwürdigkeit nachgedacht werden (BGH NJW-RR 1990, 515).

Bei einem gemeinschaftlichen Testament ist ein Widerruf gem. § 2255 BGB nur möglich, wenn das Testament zu Lebzeiten beider Eheleute und mit dem Willen beider Eheleute vernichtet oder verändert wird.

Daneben kann ein Testament auch durch eine letztwillige Verfügung gem. § 2254 BGB, durch eine letztwillige Verfügung soweit sie zum früheren Testament in Widerspruch steht gem. § 2258 BGB oder durch die Rücknahme des Testaments aus der amtlichen Verwahrung nach § 2256 BGB widerrufen werden.

Praxishinweis

Bei der Testamentsgestaltung sollte der Mandant auch immer darüber informiert werden, wie das soeben für ihn gestaltete Testament widerrufen werden kann. Nur so wird der Mandant für die damit verbundenen Probleme sensibilisiert und auf eventuell später entstehenden Beratungsbedarf aufmerksam gemacht.

Quelle: RA Ralf Mangold - vom 15.06.11