bilderbox © fotolia.de

Familienrecht, Erbrecht -

Testamente: Folgen einer Pflichtteilsstrafklausel 

Wird in einer Pflichtteilsstrafklausel eines gemeinschaftlichen Testaments die Verwirkung des Erbanspruchs nicht nur an das Verlangen des Pflichtteils, sondern auch an dessen Erhalt geknüpft, setzt die Verwirkung einen tatsächlichen Mittelabfluss voraus. Ohne diesen Mittelabfluss besteht bei einer derartigen Klausel kein Sanktionierungsgrund. Das hat das OLG Frankfurt entschieden.

Darum geht es

Die Erblasserin hatte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet. Sie hatte aus einer früheren Ehe eine Tochter, ihr verstorbener Ehemann hatte aus früheren Ehen zwei Töchter. 

Die Eheleute setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Weiter hieß es in dem Testament: 

„Wir gehen davon aus, dass unsere Kinder keinen Anspruch auf einen Pflichtteil nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils erheben. 

Nach dem Tod des überlebenden Partners wird das Vermögen unter den Kindern (...Namen der drei Töchter) zu gleichen Teilen aufgeteilt. Ausgenommen ist dabei das Kind, das einen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat.“

Die Tochter der Erblasserin beantragte einen Erbschein, der sie und eine der zwei Töchter des vorverstorbenen Ehemannes zu je 1/2 als Erbinnen ausweisen soll. 

Sie meint, die weitere Tochter sei nicht Erbin der Erblasserin geworden sei, da sie nach dem Tod ihres Vaters ihren Pflichtteil geltend gemacht habe.

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Tochter der Erblasserin zurückgewiesen. 

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die eingelegte Beschwerde hatte vor dem OLG Frankfurt am Main keinen Erfolg. Die Entscheidung des Nachlassgerichts wurde bestätigt.

Gemäß der testamentarischen Schlusserbenbestimmung seien alle drei Töchter Erbinnen zu jeweils ein Drittel geworden.

Die dritte Tochter habe ihren Erbanspruch nicht verwirkt. Nach dem Testament sollte dasjenige Kind von der Schlusserbschaft ausgenommen werden, das nach dem Tod des Erstversterbenden seien Pflichtteil beansprucht und erhalten hat. 

Voraussetzung für das Auslösen der Sanktionswirkung sei damit - abweichend von den üblichen Klauseln - nicht nur die Geltendmachung des Pflichtteils, sondern zusätzlich ein Mittelabfluss vom Nachlassvermögen. 

Ob die Tochter hier überhaupt ihren Pflichtteil geltend gemacht habe, könne offenbleiben. Jedenfalls habe sie nicht ihren Pflichtteil und auch sonst nichts aus dem Nachlassvermögen erhalten.

Der Hinweis der anderen Töchter, sie habe ihren Pflichtteil erhalten, dieser sei aber „gleich null“ gewesen, überzeuge nicht. Ein ins Leere gehender bzw. wertloser Pflichtteil löse nicht die Sanktionswirkung der testamentarischen Pflichtteilsklausel aus. 

Durch das zusätzliche Erfordernis des „Erhaltens“ hätten die Eheleute deutlich gemacht, dass es ihnen um das Zusammenhalten des Nachlassvermögens, dessen Werthaltigkeit und den Schutz des überlebenden Ehegatten gegangen sei. 

Wenn die Tochter nichts aus dem Nachlass erhalten habe, sei der Nachlass nicht geschmälert und es bestehe nach dem Willen der Ehegatten kein Grund für eine Sanktionierung.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 21.02.2023 - 21 W 104/22

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Pressemitteilung v. 06.03.2023

Spezialreport Erbrechtsreform ab 2022

Das Vorhaben der Bundesregierung zur Verringerung des Risikos von Erbschleicherei – nach dem Koalitionsvertrag 2021-2025.

» Jetzt hier kostenlos herunterladen!

 

Umfassende Praxislösungen zur schnellen und zielsicheren Bearbeitung erbrechtlicher Mandate.

198,00 € zzgl. Versand und USt