Erbrecht -

Wirkung einer Pflichtteilsstrafklausel

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.07.2011 - I 3 Wx 124/11

Macht ein Nacherbe Pflichtteilsansprüche geltend, ohne zuvor die Nacherbschaft auszuschlagen, ist er durch eine Pflichtteilsstrafklausel auch dann von der Nacherbfolge ausgeschlossen, wenn er den Pflichtteil nicht erhalten hat.

Darum geht es:

Der 2005 verstorbene Erblasser war bis zu seinem Tod mit seiner 2010 verstorbenen Ehefrau verheiratet. Die Eheleute hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet. In diesem war die wechselseitige Erbeinsetzung geregelt.
Erben nach dem Letztversterbenden sollten der Sohn der Erblassers (Beteiligter zu 1) und dessen adoptierte Tochter (Beteiligte zu 2) jeweils zur Hälfte werden. Für den Fall des Vorversterbens des Erblassers wurden die Ehefrau nur als Vorerbin, die beiden Kinder zu gleichen Teilen als Nacherben eingesetzt. Weiter wurde wörtlich testiert: „Sollten die Kinder nach dem Tode ihres Vaters als Erstversterbenden Pflichtteilsansprüche geltend machen, so sollen sie nach dem Tode des Letztverstrebenden von uns ebenfalls nur pflichtteilsberechtigt sein, so dass in diesem Fall … (die Ehefrau) über die Erbregelung nach ihrem Tode frei verfügen kann.“

Nach dem Tod des Vaters teilte die adoptierte Tochter der Ehefrau mit Anwaltsschreiben von 2005 mit, dass ihr ein Pflichtteils- und womöglich auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehe. Sie wies auf die Auskunftspflicht als Erbin hin und bat unter Fristsetzung um Erteilung eines Nachlassverzeichnisses sowie Beibringung eines Wertgutachtes bezüglich des Grundbesitzes. Mit einem weiteren Anwaltsschreiben von 2006 teilte sie mit, dass sie nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen sei, die Erbeinsetzung als Nacherbin auszuschlagen und ihren Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Sie wolle die Ausschlagungserklärung in Kürze dem Nachlassgericht übersenden.

Nach dem Tod der Ehefrau im Jahr 2010 hat der Beteiligte zu 1 einen Erbschein beantragt, der die Ehefrau als Vorerbin und ihn als alleinigen Nacherben ausweisen sollte.
Er begründete seinen Antrag damit, dass seine Schwester nach dem Tod des Erblassers Pflichtteilsansprüche geltend gemacht habe und damit aufgrund der testierten „Pflichtteilsstrafklausel“ von der Nacherbfolge ausgeschlossen sei.

Seine Schwester trat dem entgegen. Sie führte aus, dass sie die Nacherbschaft letztendlich nicht ausgeschlagen habe und ein Pflichtteil nicht ausbezahlt worden sei. Mangels Ausschlagung habe sie zudem ihre Pflichtteilsansprüche nicht wirksam geltend machen und die „Pflichtteilsstrafklausel“ aus diesem Grund überhaupt nicht greifen können.

Das Amtsgericht gab dem Erbscheinantrag des Beteiligten zu 1 jedoch statt.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist unbegründet. Der Beteiligte zu 1 wurde aufgrund des Testaments alleiniger Nacherbe.
Die Tochter ist von der (Nach-)Erbfolge ausgeschlossen. Die Sanktionsklausel wurde durch die bloße Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ausgelöst.

Sinn und Zweck einer Pflichtteilsstrafklausel ist, dass eine unerwünschte Pflichtteilforderung beim ersten Erbfall ausbleibt, dass kein Kind bevorzugt wird und dass dem überlebenden Ehegatten bis zu dessen Tod der Nachlass ungeschmälert und ungestört verbleibt. Zudem soll in der Regel dem Zweitversterbenden auch die persönliche Belastung erspart bleiben, die die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs mit sich bringt.
Die einfache „Pflichtteilsstrafklausel“ wird durch das bewusste Geltendmachen des Pflichtteilsanspruchs in Kenntnis der Sanktionsklausel ausgelöst. Ein ernsthaftes Verlangen des Pflichtteils ist ausreichend.
Insbesondere ist nach Ansicht des Gerichts für das Greifen der Pflichtteilsstrafklausel beim Nacherben keine vorangegangene Ausschlagung der Nacherbschaft nötig.

Quelle: RA Ralf Mangold - vom 28.10.11