Familienrecht -

Betreuungsrecht: „Off-Label-Use“ bei Zwangsmedikation

Der BGH hat näher bestimmt, wann die zulassungsüberschreitende Anwendung eines Fertigarzneimittels (sog. Off-Label-Use) im Wege ärztlicher Zwangsmaßnahmen gegen den Willen eines untergebrachten Betreuten zulässig ist. Demnach bedarf es hierfür einer gemeinsamen Entscheidung von Arzt und Betreuer, die auf Grundlage anerkannter medizinisch-wissenschaftlicher Leitlinien zu treffen ist.

Darum geht es

Die Betroffene leidet nach den getroffenen Feststellungen an einer wahnhaften Störung. 

Auf Antrag der Betreuerin hat das Amtsgericht Wedding ihre weitere Unterbringung nebst medikamentöser Zwangsbehandlung genehmigt, darunter die intramuskuläre Verabreichung von Haloperidol bei Verweigerung der oralen Einnahme der zu verabreichenden Medikamente (Beschl. v. 04.06.2024 - 508 XVII 1238/24). 

Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht Berlin II die Entscheidung teilweise abgeändert und den Antrag der Betreuerin zurückgewiesen, soweit es die Genehmigung ihrer Einwilligung „in eine Behandlung mit Haloperidol in der Applikationsform ‚intramuskulär" (Off-Label Gebrauch)“ betrifft (Beschl. v. 04.07.2024 - 87 T 215/24 und 87 T 216/24).

Hiergegen hat der Verfahrenspfleger die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH hat die Entscheidung der Vorinstanz im Ergebnis bestätigt.

Der BGH hat dabei klargestellt, dass die zulassungsüberschreitende Anwendung eines Fertigarzneimittels - wie etwa hier die Medikamentengabe in einer nicht von der Zulassung erfassten Verabreichungsform (intramuskulär statt oral) - auch im Wege der ärztlichen Zwangsmaßnahme auf Grundlage einer gemeinsamen Entscheidungsfindung zwischen dem Arzt und dem für den Betroffenen handelnden Betreuer erfolgen kann. 

Diese gemeinsame Entscheidung gegen den Willen des Betroffenen setzt aber eine medizinisch-wissenschaftlich konsentierte Grundlage voraus, die sich unter Beachtung der von den führenden medizinischen Gesellschaften erstellten Leitlinien etwa aus Empfehlungen nationaler und internationaler medizinischer Fachgesellschaften ergeben kann. 

Nur mit einer solchen Grundlage ist die ärztliche Zwangsmaßnahme notwendig im Sinne von § 1832 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB.

BGH, Beschl. v. 07.05.2025 - XII ZB 361/24

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 23.06.2025

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