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Sonstige Themen -

Kontogebühren: Verjährung von Rückzahlungsansprüchen

Der BGH hatte in 2021 sog. Zustimmungsfiktionsklauseln bei der Erhöhung von Kontoführungsgebühren gegenüber Verbrauchern für unwirkam erklärt. Nun hat der BGH in einem Musterfeststellungsverfahren u.a. entschieden, dass der Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist für Rückzahlungsansprüche nicht durch eine mögliche Rechtsunkenntnis bis zum Senatsurteil vom 27.04.2021 hinausgeschoben wurde.

Darum geht es

Der Musterkläger ist ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband. 

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Sparkasse waren Änderungen von Entgelten für Hauptleistungen der Bank, die von Kunden typischerweise dauerhaft in Anspruch genommen werden u.a. wie folgt geregelt:

„Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. […]." (sog. Zustimmungsfiktionsklausel).

Die Musterbeklagte stellte zum 01.12.2016 bei ihren Bestandskunden die Entgeltstruktur für die als Kontokorrentkonto geführten Girokonten um. Hierüber informierte sie ihre Kunden im September 2016 unter Übersendung eines Auszugs aus dem neuen Preis- und Leistungsverzeichnis. 

Zwei Tage nach Verkündung des BGH-Urteils vom 27.04.2021 (Az. XI ZR 26/20) zur Unwirksamkeit der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank enthaltenen Zustimmungsfiktionsklausel strich die Musterbeklagte die Zustimmungsfiktionsklausel aus ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen und stellte deren Verwendung im Neukundengeschäft ein. 

Die Musterbeklagte lehnt die Erstattung von Entgelten, die sie unter Verwendung der unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinnahmt hat, mit der Begründung ab, die Verbraucher hätten die Entgelte über mindestens drei Jahre unbeanstandet gezahlt.

Der Musterkläger begehrt verschiedene Feststellungen, die u.a. die Wirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel gegenüber Verbrauchern, die Rückforderung daraufhin erhobener Entgelte, die Unwirksamkeit einer konkludenten Annahme durch Weiternutzung der Konten und insbesondere eine mögliche Verjährung von Erstattungsanprüchen betreffen.

Die Musterbeklagte begehrt im Rahmen einer Widerklage hilfsweise für den Fall, dass einzelne Feststellungsziele zulässig oder begründet sind, u.a. verschiedene Feststellungen, die den Wert der erbrachten Leistungen und deren Anrechnung betreffen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der BGH hat entschieden, dass das Feststellungsziel zur Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel unzulässig ist, weil dies wegen des BGH-Urteils vom 27.04.2021 (Az. XI ZR 26/20) nicht mehr klärungsbedürftig ist und die Musterbeklagte diese Auffassung ebenfalls teilt.

Der BGH stellt aber fest, dass die Musterbeklagte von Verbrauchern Entgelte im Zusammenhang mit der Führung und Nutzung von Girokonten ohne Rechtsgrund erhalten hat, soweit sie die Erhebung dieser Entgelte auf eine Zustimmungsfiktion gemäß der Zustimmungsfiktionsklausel gestützt hat. 

Denn die Zustimmungsfiktionsklausel ist im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Damit fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die Erhebung solcher Entgelte durch die Musterbeklagte. 

Verbraucher können sich auch dann noch auf die Unwirksamkeit einer Zustimmungsfiktionsklausel berufen und rechtsgrundlos gezahlte Kontoführungsentgelte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zurückverlangen, wenn sie die von der Musterbeklagten rechtsgrundlos vereinnahmten Entgelte länger als drei Jahre widerspruchslos gezahlt haben. 

Wie der BGH bereits mit Urteil vom 19.11.2024 (Az. XI ZR 139/23) entschieden hat, findet die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung von Energielieferverträgen geltende sog. Dreijahreslösung im Zusammenhang mit der Rückforderung rechtsgrundlos erhobener Kontoführungsentgelte keine Anwendung. 

Soweit der Musterkläger die Feststellung begehrt, dass eine Verjährung von Erstattungsansprüchen
erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, ab dem Verbraucher Kenntnis von der Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten haben können, hilfsweise dass die kenntnisabhängige Verjährungsfrist frühestens mit dem Schluss des Jahres 2021 zu laufen beginnt, ist das Feststellungsziel unbegründet.

Ansprüche der Verbraucher auf Erstattung von rechtsgrundlos vereinnahmten Entgelten unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB).

Diese beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Entstanden sind die Rückerstattungsansprüche der Verbraucher nicht bereits mit der Abbuchung der Entgelte von den Girokonten der Verbraucher, sondern erst mit der Genehmigung der Saldoabschlüsse der Girokonten durch die Verbraucher. Diese Genehmigung liegt mit Ablauf der sechswöchigen Frist vor, innerhalb derer Verbraucher gemäß Nr. 7 Abs. 3 Satz 1 AGB-Sparkassen Einwendungen gegen den jeweiligen zum Monatsende erstellten Saldoabschluss vorbringen können. 

Kenntnis von ihren Rückzahlungsansprüchen haben die Verbraucher durch die Information der Musterbeklagten über die beabsichtigten Änderungen der Entgelte und durch deren Ausweis in den Saldoabschlüssen der Girokonten erlangt. 

Die Kenntnis der Verbraucher von der Unwirksamkeit der Zustimmungsfiktionsklausel ist für die Ingangsetzung des Verjährungsverlaufs nicht erforderlich.

Der Verjährungsbeginn ist insbesondere nicht durch eine etwa bestehende Rechtsunkenntnis der Verbraucher bis zum Senatsurteil vom 27.04.2021 (Az. XI ZR 26/20) hinausgeschoben worden, da hinsichtlich der Unwirksamkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln keine unsichere oder zweifelhafte Rechtslage vorlag. 

Verbrauchern war eine Klageerhebung vielmehr bereits vor diesem Urteil zumutbar. Der vor dem 27.04.2021 ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung lässt sich keine Billigung von Zustimmungsfiktionsklauseln entnehmen. 

Die Unwirksamkeit von Zustimmungsfiktionsklauseln beruht auf deren Abweichung von dem allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsatz, wonach das Schweigen des Verwendungsgegners zu einem ihm unterbreiteten Vertragsänderungsantrag nicht als Annahme zu qualifizieren ist. 

Dieser Grundsatz ist nicht neu, sondern beansprucht schon seit jeher Gültigkeit. Darüber hinaus steht das Senatsurteil vom 27.04.2021 in einer Linie mit dem Urteil des BGH vom 11.10.2007 (Az. III ZR 63/07), in dem eine Zustimmungsfiktionsklausel ebenfalls deswegen für unwirksam erklärt worden ist, weil für grundlegende Änderungen von vertraglichen Beziehungen ein  wirksamer Änderungsvertrag notwendig ist. 

Die langjährige und verbreitete Verwendung von unwirksamen Zustimmungsfiktionsklauseln im Rechtsverkehr der Banken und Sparkassen vor dem Senatsurteil vom 27.04.2021 begründet nicht, dass die Erhebung von Rückzahlungsklagen von Verbrauchern unzumutbar gewesen ist.

Eine Hilfswiderklage im Rahmen eines Musterfeststellungsverfahrens ist grundsätzlich zulässig, wenn sie sich im Rahmen des Lebenssachverhalts der vom Musterkläger begehrten Feststellungsziele hält. Sie hat vorliegend allerdings keinen Erfolg. 

Der Wert der Leistungen, die die Musterbeklagte aufgrund von vor dem 19.09.2016 geschlossenen Giroverträgen gegenüber Verbrauchern ab dem 01.12.2016 erbracht hat, kann den Rückzahlungsansprüchen der Verbraucher nicht entgegengehalten werden. 

Die Verbraucher haben von der Musterbeklagten keine Leistungen aus den Giroverträgen ohne Rechtsgrund erlangt. Es bestehen vielmehr wirksame Giroverträge zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten, aus denen diese zur Erbringung von Zahlungsdienstleistungen verpflichtet ist.

BGH, Urt. v. 03.06.2025 - XI ZR 45/24

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 03.06.2025

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