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Sozialrecht, Familienrecht -

Corona-Homeschooling: Computer vom Jobcenter?

Welche zusätzlichen Ansprüche haben Hartz IV-Bezieher in der Corona-Pandemie? Nach dem Thüringer Landessozialgericht ist der Bedarf für die Anschaffung eines internetfähigen Computers für den heimischen Schulunterricht nach Schließung des Präsenzunterrichts im Regelbedarf nicht enthalten. Demzufolge muss das Jobcenter taugliche Geräte beschaffen oder notwendige Kosten ersetzen.

Darum geht es

Die Antragstellerin bezieht SGB II-Leistungen und besucht die 8. Klasse der Staatlichen Grund- und Regelschule. Ihre Mutter beantragte beim Jobcenter die Übernahme der Kosten für einen Computer sowie Drucker nebst Zubehör für den Schulunterricht.

Das Jobcenter verneinte ebenso wie das Sozialgericht Nordhausen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren einen Anspruch.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Das Thüringer Landessozialgericht hat auf die Beschwerde der Antragstellerin den Beschluss des Sozialgerichts abgeändert und das Jobcenter im Wege der Einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin ein internetfähiges Endgerät nebst Zubehör (Bildschirm, Tastatur, Maus, Drucker und drei Druckerpatronen) zur Verfügung zu stellen.

Alternativ könne das Jobcenter diese Verpflichtung auch dadurch zu erfüllen, dass es die Kosten in Höhe von maximal 500 € für die Beschaffung durch die Antragstellerin selbst übernehme. Im Übrigen hat der Senat die Beschwerde zurückgewiesen.

Die geltend gemachten Kosten stellten einen nach § 21 Abs. 6 SGB II anzuerkennenden unabweisbaren laufenden Mehrbedarf dar. Der Bedarf für die Anschaffung eines internetfähigen Computers nebst Zubehör zur Teilnahme am Schulunterricht im heimischen Umfeld sei im Regelbedarf nicht berücksichtigt.

Damit sei der Regelbedarf jedenfalls unter den gegenwärtigen Umständen der Pandemie nicht mehr in realitätsgerechter Weise zutreffend erfasst. Die Anschaffung eines internetfähigen Endgerätes sei mit der ab 16.12.2020 erfolgten Schließung des Präsenzunterrichts zur Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin auf Bildung und Chancengleichheit erforderlich geworden.

Während der pandemiebedingten Schließung des Präsenzunterrichts ermögliche die Zurverfügungstellung eines solchen internetfähigen Computers der Antragstellerin, auf die Thüringer Schulcloud zuzugreifen.

Der Bedarf sei auch unabweisbar. Im Haushalt der Familie der Antragstellerin sei lediglich ein internetfähiges Smartphone vorhanden, welches für die Benutzung der Schulcloud ungeeignet sei.

Nach jetzigem Stand werde kein Gerät von der Schule oder einer sonstigen dritten Person zur Verfügung gestellt.

Die Antragstellerin habe jedoch keinen Anspruch auf das von ihr ausgewählte Gerät, dessen Preis sie im Verwaltungsverfahren mit 720 € ohne Druckerpatronen beziffert habe.

Nach dem SGB II besteht demnach kein Anspruch auf bestmögliche Versorgung, sondern nur auf Befriedigung einfacher und grundlegender Bedürfnisse. Die Antragstellerin muss sich daher auf ein kostengünstiges und ggf. gebrauchtes zweckentsprechendes Gerät verweisen lassen.

Die Verpflichtung aus der Einstweiligen Anordnung kann der Antragsgegner erfüllen, indem er der Antragstellerin entweder ein internetfähiges Endgerät nebst Zubehör zur Verfügung stellt oder wahlweise auch dadurch, dass er die Kosten für die Anschaffung der genannten Objekte, welche der Senat auf maximal 500 € schätzt, übernimmt.

Die damit verbundene Vorwegnahme der Hauptsache ist nach dem Gericht vor dem Hintergrund der Gewährung effektiven Rechtschutzes gerechtfertigt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar.

LSG Thüringen, Beschl. v. 08.01.2021 - L 9 AS 862/20 B ER

Quelle: LSG Thüringen, Pressemitteilung v. 19.01.2021