Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) – Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber

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Eine Verschiebung jagte die nächste, die Probleme um die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) rissen nicht ab. Doch nun kommt die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) tatsächlich – Start ist der 1.1.2023.

Die Einführung einer eAU hat der Gesetzgeber bereits am 18.09.2019 im Bürokratieentlastungsgesetz III1 beschlossen. Ursprünglich sollte sie bereits zum 01.01.2022 starten. Die Coronapandemie führte jedoch zur Verzögerung der technischen Umsetzung bei den Ärzten, so dass die Einführungsphase verschoben wurde.

Nun werden auch die Arbeitgeber für die Arbeitsverhältnisse, die der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen, ab Beginn des Jahres 2023 in die Pflicht genommen; sie müssen jetzt ihrerseits bei der jeweiligen Krankenkasse den Abruf der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vornehmen. Damit beschreitet der Gesetzgeber digitales Neuland für die AU-Bescheinigung, worauf sich vor allem die Arbeitgeber unter Ihren Mandanten vorbereiten müssen.

Aktuelle Rechtslage: Wann kommt die eAU?

Im Fall einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitnehmer gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG – ohne Rücksicht darauf, ob er einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat – verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen (sog. Anzeigepflicht). Zudem muss er gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG eine AU-Bescheinigung vorlegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauert (sog. Nachweispflicht).

Gesetzlich angeordnet ist die Vorlage am folgenden Arbeitstag; der Arbeitgeber kann die AU-Bescheinigungsvorlage früher verlangen. Auch diese Verpflichtung besteht unabhängig von einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der von dem Arbeitnehmer vorgelegten AU-Bescheinigung angegeben, so hat der Arbeitnehmer eine neue Bescheinigung vorzulegen. Legt der Arbeitnehmer keine AU-Bescheinigung vor, so kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung bis zur Vorlage verweigern (§ 7 Abs. 1 EFZG), es sei denn, der Arbeitnehmer hat die Nichtvorlage nicht zu vertreten.

Änderungen im Entgeltfortzahlungs-Gesetz zum 1.1.2023

Mit Wirkung zum 01.01.2023 wird die Vorschrift zur Nachweispflicht des Arbeitnehmers geändert. Dazu wird ein neuer § 5 Abs. 1a in das EFZG eingeführt. Diese Änderung korrespondiert mit der Änderung in § 109 SGB V, der das Verfahren zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und den Arbeitgebern regelt (vgl. Art. 11 Bürokratieentlastungsgesetz III, Art. 12b RentÜG,2 Art. 4b Gesetz zur Verlängerung von Sonderregelungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beim Kurzarbeitergeld und anderer Leistungen3).

Unberührt hiervon bleibt die Anzeigepflicht des Arbeitnehmers. Dieser hat auch künftig seinem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG).

Ablauf des Arbeitsunfähigkeitsnachweises ab 2023 – Wie funktioniert die eAU?

Mit den neuen Vorschriften einher geht eine Änderung der Nachweispflicht für gesetzlich versicherte Arbeitnehmer.

Diese stellen sich – wie bisher – in einem ersten Schritt bei einem Arzt vor und lassen von diesem die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen; zugleich ist die Ausstellung einer AU-Bescheinigung erforderlich.

In einem zweiten Schritt unterrichtet der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber über die festgestellte Arbeitsunfähigkeit. Anders als bisher händigt er dem Arbeitgeber jedoch nicht mehr die AU-Bescheinigung in Papier aus.

Stattdessen ruft der Arbeitgeber in einem dritten Schritt die Daten elektronisch bei der zuständigen Krankenkasse ab; er kommt damit einer Holschuld nach.

Die Krankenkasse hält folgende Informationen für ihn bereit:

  • Name des/der Beschäftigten,
  • Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit,
  • Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit,
  • Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung und
  • Angabe, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall oder sonstigen Unfall oder auf den Folgen eines Arbeitsunfalls oder sonstigen Unfalls beruht.

Stellt die Krankenkasse fest, dass die Entgeltfortzahlung wegen anrechenbarer Vorerkrankungszeiten ausläuft, ist vorgesehen, dass sie dem Arbeitgeber automatisch eine entsprechende Meldung übermittelt, er diese also nicht aktiv abrufen muss.

Der Arbeitgeber kann auch einen Dritten (z.B. den externen Gehaltsabrechner) mit dem Abruf der Meldung bei der Krankenkasse beauftragen.

Sonderfälle, u.a. privat krankenversicherte Arbeitnehmer

Arbeitnehmer mit privater Krankenversicherung

Bei Arbeitnehmern mit privater Krankenversicherung bleibt alles beim Alten. Diese haben ihrem Arbeitgeber spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform vorzulegen, sofern der Arbeitgeber dies nicht vertraglich oder im Einzelfall durch Weisung bereits zu einem früheren Zeitpunkt verlangt.

Entsprechendes gilt bei einer Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Nichtvertragsarzt (also z.B. im Ausland); auch in diesem Fall bleibt es bei dem Prozedere nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 EFZG.

Geringfügig Beschäftigte

Ausgenommen sind zudem alle geringfügig Beschäftigten in Privathaushalten.

Für die übrigen geringfügig Beschäftigten gelten die neuen Vorschriften wie für alle übrigen Arbeitsverhältnisse.

Empfehlungen für den Arbeitgeber

Die Arbeitgeber sollten die Änderungen zum Anlass nehmen, die technische Umsetzung, insbesondere die Schaffung der erforderlichen IT-Schnittstelle mit den Krankenkassen, in Angriff zu nehmen. Dies wird im Regelfall Abstimmungen mit dem jeweiligen Softwareanbieter erforderlich machen.

Neueintritte

Zudem empfiehlt es sich, die Arbeitsverträge für Neueintritte an das neue Regelungsregime anzupassen. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Gesetz künftig zwischen privat und gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern differenziert und dass sich der Versicherungsstatus während des Arbeitsverhältnisses ändern kann. Auch den vorgesehenen Ausnahmen, insbesondere für Fälle der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Nichtvertragsarzt, ist insoweit Rechnung zu tragen. Ein bloßer Verweis auf das EFZG könnte gegen die neuen Vorschriften des Nachweisgesetzes verstoßen.

Bestehende Arbeitsverträge

Eine Anpassung bestehender Verträge mit gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern ist hingegen nicht zwingend erforderlich. Klauseln, welche die alte Rechtslage abbilden, werden mit dem Jahreswechsel schlicht unwirksam. An ihre Stelle treten die neuen gesetzlichen Regelungen, wie sie bereits in § 5 Abs. 1a EFZG aufgenommen wurden.

Allerdings ist zu beachten, dass die gesetzlichen Regelungen Arbeitnehmern erst für den vierten Tag einer Arbeitsunfähigkeit die Verpflichtung auferlegen, die Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen.

Soweit Arbeitgeber den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit generell früher bei der Krankenkasse abrufen möchten, könnte eine entsprechende individualvertragliche Regelung getroffen werden.

Dabei ist in Betrieben mit einem Betriebsrat bei einer solchen allgemeinen früheren Feststellungspflicht der Arbeitnehmer dessen Mitbestimmungsrecht gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu beachten.

Geringfügig Beschäftigte

Werden geringfügig Beschäftigte eingesetzt, kennt der Arbeitgeber die Krankenkasse bisher nicht, weil er ausschließlich mit der Minijob-Zentrale als zuständiger Einzugsstelle kommuniziert. Aus diesem Grund ist es zukünftig auch erforderlich, dass Minijobber Angaben zu ihrer Krankenkasse machen. Dafür bietet sich die Abfrage bereits bei Beschäftigungsbeginn im Einstellungsfragebogen an.

Autor: Ein Beitrag von Rechtsanwalt Prof. Dr. Joachim Weyand, Direktor des Instituts für Rechtswissenschaft a.D., Universität Ilmenau,  Mitherausgeber des Deubner „Praxishandbuch Arbeitsrecht“ und Autor des „Rechtsportal Arbeitsrecht“. Der Beitrag ist in beiden Werken im Oktober 2022 erschienen.

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1 Drittes Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Drittes Bürokratieentlastungsgesetz) v. 22.11.2019, BGBl I, 1746.

2 Gesetz zur Entwicklung und Einführung einer Digitalen Rentenübersicht (Rentenübersichtsgesetz – RentÜG) v. 11.02.2021, BGBl I, 154.

3 Gesetz zur Verlängerung von Sonderregelungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie beim Kurzarbeitergeld und anderer Leistungen v. 23.03.2022, BGBl I, 482.

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