Schutz von Arbeitnehmerrechten durch das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)? Was Sie als Arbeitsrechtler nun wissen müssen!

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Das neue Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist die deutsche Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie, die einen standardisierten Schutz von Personen festlegt, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden.

Bis zum 17.12.2021 mussten die EU-Mitgliedstaaten die Vorgaben der Richtlinie in nationale Gesetzte überführen.

 

Verzögerungen bis zum Inkrafttreten des HinSchG

Wie die meisten EU-Länder hat aber auch Deutschland diese Frist verstreichen lassen und erst am 27.07.2022 einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, der jedoch am 10.02.2023 vom Bundesrat abgelehnt wurde. Schließlich wurde im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss erzielt. Die Verkündung im Bundesgesetzesblatt erfolgte am 02.06.2023, in Kraft getreten ist das HinSchG am 02.07.2023.

Für die deutschen Steuerzahler wird die verspätete Umsetzung der Whistleblowerrichtlinie voraussichtlich teuer werden. In ihrer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland beantragt die Europäische Kommission wegen der verspäteten Umsetzung Strafzahlungen, die sich auf über 30 Mio. € belaufen könnten.

Schutz für Whistleblower vor Repressalien

Das Gesetz war schon lange „überfällig“. Denn Hinweisgeber sind immer noch nicht ausreichend vor Repressalien, wie z.B. Kündigungen, Abmahnungen, Versagung von Beförderungen oder Mobbing, geschützt.

Für hinweisgebende Arbeitnehmer besteht zudem die Gefahr, dass sie durch die Aufdeckung von Missständen gegen das arbeitsrechtliche Rücksichtnahmegebot aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen. Es war bisher nicht klar geregelt, in welchen Fällen die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Pflichten die Verschwiegenheits- und Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber überwiegt, so dass die Ausgestaltung des Hinweisgeberschutzes bisher lediglich durch die Rechtsprechung erfolgte.

Nachdem im Fall „Heinisch“ der EGMR Deutschland wegen der rechtskräftigen Bestätigung der fristlosen Kündigung der Altenpflegerin Brigitte Heinisch, die im Jahr 2003 auf schlimme hygienische Zustände und auf die Unterversorgung der Bewohner in einem Heim hingewiesen hatte, verurteilt hatte (EGMR, Urt. v. 21.07.2011 – 28274/08, NJW 2011, 3501.), orientierten sich die Gerichte an diesen Vorgaben. Der Fall zeigte, dass Whistleblower in Deutschland keinen Schutz genießen und der Gang an die Öffentlichkeit nur als „letztes Mittel“ dient.

Was ist ein Whistleblower oder Hinweisgeber?

Was wird unter dem Begriff des Hinweisgebers verstanden? Dieser Begriff bezeichnet natürliche Personen, die im Zusammenhang mit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach dem HinSchG vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen:

  • Da § 1 Satz 1 HinSchG auch Personen einbezieht, die im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangen, wird auch ein Stellenbewerber geschützt, der während des Einstellungsverfahrens Informationen über Verstöße erhält. Ein Bewerber, dem im Bewerbungsgespräch bewusst wird, dass zu seinen künftigen Tätigkeiten die Übergabe von Bestechungsgeldern gehören wird, ist als hinweisgebende Person bei einer Meldung oder Offenlegung nach dem HinSchG geschützt. Dieser Schutz geht aber nicht so weit, dass er den Abschluss eines Arbeitsvertrags einfordern könnte (§ 37 Abs. 2 HinSchG).
  • Geschützt werden auch hinweisgebende Personen, deren Arbeitsverhältnis inzwischen beendet wurde. Hinweisgeber können neben Beschäftigten auch Externe sein, z.B. Leiharbeitnehmer, Praktikanten, Selbständige, Lieferanten, Auftragnehmer und Unterauftragnehmer etc.
  • Nach § 1 Abs. 2 HinSchG fallen auch Personen in den persönlichen Anwendungsbereich, die von der Meldung oder Offenlegung betroffen sind, beispielsweise mögliche Zeugen.
  • Geschützt sind auch Ehepartner des Hinweisgebers, wenn dieser entlassen oder auf andere Weise vom Arbeitgeber benachteiligt wird (vgl. Art. 4 Abs. 4 Buchst. b) Whistleblowerrichtlinie).

Meldung an die Meldestelle oder Offenlegung: Das ist der Unterschied

Die hinweisgebende Person muss Informationen über Verstöße an eine nach diesem Gesetz vorgesehene Meldestelle melden oder solche Informationen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes offenlegen, um in den Anwendungsbereich des Gesetzes zu gelangen. Dabei muss die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung einen hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG).

Voraussetzungen für die Offenlegung

Die hinweisgebende Person fällt bei einer Offenlegung aber nur dann unter den gesetzlichen Schutz, wenn nach § 32 HinSchG zunächst eine externe Meldung erstattet worden ist, aber keine fristgemäßen Folgemaßnahmen oder Rückmeldungen über Folgemaßnahmen erteilt wurden oder eine offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses vorliegt.

Dies bedeutet, dass Arbeitnehmer, die Informationen über Verstöße im betrieblichen Intranet mitteilen, nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des HinSchG fallen, soweit nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen einer Offenlegung vorliegen.

Liegen die Voraussetzungen einer Offenlegung nach § 32 HinSchG nicht vor, kann der Arbeitnehmer auch nicht mehr durch eine nachträgliche Meldung bei der Meldestelle in den Schutzbereich des HinSchG gelangen.

Sachlicher Anwendungsbereich: Bei welchen Verstößen gilt das Hinweisgeberschutzgesetz?

Der sachliche Bereich wird nach § 2 Abs. 1 HinSchG enumerativ aufgezählt: Verstöße

  • gegen die durch die Whistleblowerrichtlinie vorgegebenen Bereiche des Unionsrechts,
  • gegen nationales Strafrecht und
  • die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz vor Leib, Leben oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte ihrer Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient.

Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung sah auch bei „sonstigem erheblichen Fehlverhalten“, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt, einen Schutz vor.

Indem bußgeldbewehrte Vorschriften als Kompromiss in den sachlichen Anwendungsbereich aufgenommen wurden, werden Verstöße gegen die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns nach § 20 MiLoG und bußgeldbewährte Verstöße gegen das AÜG nach § 16 Abs. 1 AÜG vom HinSchG erfasst.

Zu den bußgeldbewehrten Vorschriften, die dem Schutz der Rechte von Vertretungsorganen der Arbeitnehmer dienen, gehören beispielsweise § 121 BetrVG und § 46 SEBG.

Von Interesse erweisen sich dabei vor allem solche Bußgeldvorschriften, die eine Missachtung von Aufklärungs- und Auskunftspflichten gegenüber dem Betriebsrat (Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat, Wirtschaftsausschuss usw.), den Interessenvertretungen (§ 46 Abs. 1 SEBG und § 45 EBRG)7 oder der Schwerbehindertenvertretung (§ 238 Abs. 1 Nr. 8 SGB IX) sanktionieren.

In den Fokus geraten könnte dabei insbesondere § 121 Abs. 1 BetrVG, für den sich die Behörden bislang so gut wie nicht interessiert haben. So könnte es im Rahmen einer Betriebsänderung durchaus einmal zu einer (externen) Meldung kommen, sollte der Arbeitgeber mit deren Umsetzung beginnen, ohne zuvor die Herbeiführung eines Interessenausgleichs versucht zu haben (§ 111 Satz 1, § 112 BetrVG).

Dies gilt umso mehr, als nach wie vor nicht abschließend geklärt ist, inwieweit der Betriebsrat dagegen mit einem Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber vorgehen kann.

Verstöße, die nach § 119 BetrVG oder § 45 SEBG strafbar sind, werden hingegen bereits durch § 2 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen.

So könnten beispielsweise über § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch Konflikte im Vorfeld einer Betriebsratswahl an die Meldestellen herangetragen werden. Unterhalb der Strafbarkeitsschwelle können auch verfassungsfeindliche Äußerungen gemeldet werden.

Ausgenommen vom Schutz werden Meldungen über Informationen aus dem Bereich der nationalen Sicherheit (§ 5 Abs. 1 HinSchG). Verstöße gegen unternehmensinterne Compliancevorgaben fallen ebenfalls nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG, falls sie nicht zugleich einen Verstoß gegen einen der in § 2 genannten Gegenstände darstellen.

Ausgenommen vom Anwendungsbereich des Gesetzes gem. § 5 Abs. 2 HinSchG sind auch grundsätzlich Meldungen oder Offenlegungen, denen eine Geheimhaltung zum Schutz von Verschlusssachen entgegensteht. Dies gilt entsprechend für das richterliche Beratungsgeheimnis, die anwaltliche und die ärztliche Verschwiegenheitspflicht.

Hinweisgeberschutzgesetz: Fazit und Ausblick

Insgesamt sind die Regelungen des HinSchG zu restriktiv ausgefallen:

  • So beschränkt sich der sachliche Anwendungsbereich nur auf straf- und bußgeldbewehrte Vorschriften und erfasst nicht solche Missstände, die zwar „formal“ legal sind, jedoch ein Fehlverhalten darstellen, an dessen Bekanntmachung ein erhöhtes öffentliches Interesse vorliegt (z.B. Missstände in der Pflege).
  • Kritisch zu sehen ist auch, dass u.a. „Verschlusssachen“ aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausgenommen werden. Die Schutzwirkung für Hinweisgeber entfällt damit genau dort, wo sie eigentlich im nationalen Interesse besonders erforderlich wäre (z.B. der Fall Edward Snowden). Zu erinnern ist auch daran, dass die Meinungsfreiheit nach der Rechtsprechung des EGMR im Fall Bucur und Toma gegen Rumänien aus dem Jahr 2013
    (EGMR, Urt. v. 08.01.2013 – 40238/02, abrufbar unter https://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-115844) sogar Offenlegungen von missbräuchlichen Praktiken von Nachrichtendiensten schützt. Eine Gefährdung staatlicher Interessen ist bei einer externen Meldung an eine dazu bestimmte Stelle nahezu ausgeschlossen.
  • Die Hürden bei einer Offenlegung sind mit § 32 HinSchG bereits hoch. Auch die Ausnahmen vom Vertraulichkeitsgebot in § 9 HinSchG sind zu weitreichend und finden in Art. 16 Whistleblowerrichtlinie keine hinreichende Grundlage. Personen, die befürchten müssen, dass ihre Identität schon auf eine einfache Anfrage einer Strafverfolgungsbehörde weitergegeben werden darf, werden kaum bereit sein, einen Hinweis zu geben.
  • Der Umgang mit anonymen Meldungen ist unzureichend, da keine Verpflichtung besteht, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen. Anonymität sollte ein integraler Bestandteil effektiver Hinweisgebersysteme sein, um Hinweisgebern die Hemmschwelle zu nehmen, Hinweise abzugeben. Es ist davon auszugehen, dass die meisten Hinweisgeber Verstöße oder Auffälligkeiten aus Angst vor Benachteiligungen lieber in anonymer Weise melden möchten. Die bloße Formulierung der entsprechenden Regelung als „Soll-Vorschrift“ bietet keinen ausreichenden Schutz, da so die Gefahr besteht, dass wichtige Meldungen ins Leere laufen.
  • Auch die Schutzmaßnahmen, als Kernstück des Gesetzes, sind nicht ausführlich genug geregelt. Eine dezidierte Auflistung möglicher Repressalien und unterschiedlicher Maßnahmen hingegen, wie sie in der Whistleblowerrichtlinie enthalten sind, existieren im Gesetz nicht. Die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht gebietet auch, dass alle Beschäftigten vor Missbrauch der Meldestelle im Hinblick auf ungerechtfertigte Denunziation geschützt werden. Dafür ist ein Kommunikationskonzept empfehlenswert, das z.B. Erklärvideos, Intranetbeiträge, Hand-outs, Veranstaltungen und Seminare umfasst. Schließlich bietet sich auch eine Aufnahme des Hinweisgebersystems in den Verhaltenskodex zur Kommunikation und Unterstützung der Unternehmens- und Compliancekultur an.

 

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