Unfallflucht: Die Merkmale des objektiven Tatbestands

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Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen des Einzelfalls zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann (§ 142 Abs. 5 StGB). Dabei ist nicht erforderlich, dass der Betreffende schuldhaft gehandelt hat.

Unfallbeteiligter ist auch, wer wegen eines rechtswidrig kreuzenden Fahrzeugs stark bremst und der Nachfolgende auffährt.

Unfall

Unfall ist ein plötzliches Ereignis im öffentlichen Straßenverkehr, das mit seinen typischen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang steht und zu einem nicht völlig belanglosen Sachschaden geführt hat.

Ein unerheblicher Sachschaden liegt nach der regional differenzierenden Rechtsprechung bei 20–50 € vor.

Straßenverkehr

Der Unfall muss sich im öffentlichen Straßenverkehr ereignen. Reine Privatstraßen fallen nicht unter diese Regelung.

Unter öffentlichen Verkehr fallen die diesem gewidmeten Wege, aber auch Privatwege und Werkstraßen, sofern sie mit ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung des Eigentümers von der Allgemeinheit tatsächlich benutzt werden können (BGH, Urt. v. 04.03.2004 – 4 StR 377/03, NJW 2004, 1965).

Es kommt darauf an, ob der Weg oder Parkplatz von einem zufälligen Personenkreis genutzt werden kann (OLG Hamm v. 04.03.2008 – 2 Ss 33/08, NZV 2008, 257; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 11.11.2019 – 1 OLG 2 Ss 77/19, DRsp Nr. 2020/1609).

Zugangssperren (BGH, Beschl. v. 22.05.2017 – 4 StR 165/17, DRsp Nr. 2017/7376) oder Zugangskontrollen schließen regelmäßig aus, dass eine bestimmte Fläche dem allgemeinen öffentlichen Verkehr zugänglich sein soll, etwa eine kontrollierte Parkfläche eines Hotels.

Auch das Schild „Parken nur für Anwohner“ schließt öffentlichen Verkehr aus (KG, Beschl. v. 18.11.2008 – 2 Ss 330/08 – 3 Ws (B) 419/08, VA 2009, 31; OLG Rostock, Beschl. v. 28.11.2003 – 1 Ss 131/03 I 79/03, SVR 2004, 234).

Auf eine verwaltungsrechtliche Widmung kommt es nicht an.

Sich entfernen

Die Tathandlung begeht, wer sich räumlich so weit an einen Ort von der Unfallstelle entfernt, wo ihn eine feststellungsbereite Person nicht mehr vermuten würde, etwa wenn er sich in einem Haus an oder in der Nähe der Unfallstelle versteckt. Auch kurzzeitiges Entfernen schadet.

Wird der Betroffene ohne oder gegen seinen Willen entfernt, beispielsweise von der Polizei zur Blutprobe mitgenommen (BayObLG, Beschl. v. 01.10.1992 – 1 St RR 161/92, NZV 1993, 35) oder ins Krankenhaus transportiert, liegt kein willentliches Entfernen vor.

Feststellungen

Das Treffen von Feststellung bezieht sich auf die Angaben zur Person, zum Fahrzeug und zur Art der Beteiligung an einem Verkehrsunfall.

Der Geschädigte muss aber ein sogenanntes Feststellungsinteresse haben. Die Feststellungen müssen zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und/oder Geschädigten erfolgen, die i.d.R. ein Interesse haben, ihren Schaden reguliert zu bekommen.

Ist also eine feststellungsbereite Person – nicht notwendigerweise der oder die Geschädigte, es genügt jede Person, die Willens und in der Lage ist, die Feststellungen zu treffen

  • am Unfallort anwesend, hat der Unfallbeteiligte
  • an der Unfallstelle zu verbleiben, bis die Feststellungen getroffen sind (Anwesenheitspflicht);
  • sich als solcher zu erkennen zu geben (aktive Vorstellungspflicht) und
  • die Feststellungen der relevanten Daten zu dulden (Feststellungsduldungspflicht).

Wartefrist

Ist keine feststellungsbereite Person an der Unfallstelle verfügbar, hat der Unfallbeteiligte an der Unfallstelle auf das Eintreffen einer feststellungsbereiten Person zu warten.

Die Wartepflicht selbst ist gesetzlich nicht normiert und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Entfernt sich ein Unfallbeteiligter von der Unfallstelle nach Ablauf einer Wartefrist, hat dieser dennoch unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen zur Schadenregulierung zu treffen, insbesondere sich bei einer Polizeidienststelle zu melden und die erforderlichen Angaben zu machen.

Nachträgliche Feststellungen

Entfernt sich der Beteiligte berechtigt oder entschuldigt oder nach Ablauf der Wartefrist, muss er nach § 142 Abs. 2 StGB die Feststellungen unverzüglich (d.h. ohne schuldhaftes Zögern, vgl. § 121 BGB) ermöglichen.

„Berechtigt“ fragt nach dem Vorliegen von Rechtfertigungs-, „entschuldigt“ nach Entschuldigungsgründen.

Hat sich der Unfallbeteiligte nicht berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt, kann er nach § 142 Abs. 4 StGB straffrei bleiben oder eine Strafminderung erhalten, wenn er innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall die notwendigen Feststellungen ermöglicht.

Dies gilt jedoch nur, sofern die Polizei nicht schon Ermittlungen aufgenommen hat, der Unfall sich nicht im fließenden Verkehr ereignet hat und kein bedeutender Sachschaden entstand. Hierzu kommt es eher selten.

Vorsatz

Das Vergehen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort kann nur vorsätzlich begangen werden. Eine fahrlässige Unfallflucht gibt es nicht.

Es genügt nicht, dass der Beschuldigte den Schaden „hätte erkennen können und müssen“ (OLG Jena, Beschl. v. 07.07.2005 – 1 Ss 161/04, StV 2006, 529).

Daraus folgt zweierlei: Der Beschuldigte muss erkannt oder wenigstens mit der Möglichkeit gerechnet haben,

  1. dass er einen Gegenstand angefahren, überfahren, jemanden verletzt oder getötet hat und zusätzlich
  2. dass ein nicht völlig bedeutungsloser fremder Sachschaden entstanden ist.

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