Arbeitsrecht, Sozialrecht -

Zulässigkeit einer Prämie für Streikbruch

Ein Arbeitgeber, der bestreikt wird, darf Arbeitnehmer grundsätzlich mit der Zusage einer „Streikbruchprämie“ von einer Beteiligung an einem Streik abhalten. Das hat das BAG entschieden. Nachträgliche Streikbruchprämien sind allerdings weiterhin problematisch – für sie muss ggf. ein sachlicher Grund vorliegen. Unter Umständen können auch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats greifen.

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer war als Verkäufer in einem Einzelhandelsunternehmen tätig. Eine Gewerkschaft hatte in dem Betrieb zu Streiks aufgerufen. Diese sollten das Ziel haben, einen Tarifvertrag zur Anerkennung regionaler Einzelhandelstarifverträge abzuschließen. Und tatsächlich kam es auch zu Streiks. Vor Streikbeginn allerdings versprach der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern durch einen betrieblichen Aushang die Zahlung einer Prämie von 200 € brutto pro Streiktag, wenn sie sich nicht am Streik beteiligen und arbeiten gehen. Später wurde in einem weiteren Ausgang eine Prämie von 100 € brutto pro Streiktag zugesagt.

Der Verkäufer des Falls war allerdings Gewerkschaftsmitglied und ging lieber streiken. Das hinderte ihn aber nicht daran, trotz seiner Arbeitsniederlegung den Arbeitgeber zu verklagen und auch die Zahlung der Prämien zu verlangen. Immerhin ging es um 1.200 € brutto. Der Arbeitnehmer meinte, aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stünde ihm auch ein Anspruch zu. Als die erste und zweite Instanz seine Klage abgewiesen, zog er vor das BAG.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Aber auch dort hatte er keinen Erfolg. Die Erfurter Richter sahen eine Streikbruchprämie als zulässiges Kampfmittel in einem Arbeitskampf an. Zwar liegt mit der Prämienzahlung an arbeitswillige Arbeitnehmer eine Ungleichbehandlung zwischen den streikenden und nicht streikenden Arbeitnehmern vor. Das BAG war jedoch der Auffassung, dass diese Ungleichbehandlung aus arbeitskampfrechtlichen Gründen gerechtfertigt war. Denn der Arbeitgeber wollte mit der freiwilligen Sonderleistung den Streik beenden, betrieblichen Ablaufstörungen begegnen und dem Streikdruck entgegenwirken.

Im arbeitskampfrechtlichen Sinn gibt es eine Kampfmittelfreiheit sowohl für die Gewerkschaft als auch für den Arbeitgeber. Zwar ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren, die hier gezahlte Streikbruchprämie war aber nicht unangemessen, auch wenn sie den Tagesverdienst der streikenden Arbeitnehmer um ein Mehrfaches überstieg.

Folgerungen aus der Entscheidung

Ein Arbeitgeber, der bestreikt wird, ist also grundsätzlich berechtigt, zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer durch das Versprechen einer Prämienzahlung von einer Streikbeteiligung abzuhalten. Die Rechtsprechung und hier insbesondere das BAG akzeptiert die Gewährung von Streikbruchprämien grundsätzlich schon länger, wenn bislang auch noch nicht so eindeutig.

Das BAG ging bislang von Folgendem aus: „Der Senat neigt dazu, die Gewährung einer sog. echten ‚Streikbruchprämie‘ während des Arbeitskampfs … als grundsätzlich zulässiges Arbeitskampfmittel anzusehen.“ (BAG, Urt. v. 13.07.1993 – 1 AZR 676/92). Insoweit hat sich durch das aktuelle Urteil nichts geändert.

Problematisch sind allerdings auch weiterhin nachträglich zugesagte Prämien, etwa Belohnungen an weiterarbeitende Arbeitnehmer in Form von Sonderzahlungen oder ähnlichem. Denn im Nachhinein zugesagte Prämien beeinflussen den Arbeitskampf ja selbst nicht mehr.

Daher muss ein sachlicher Grund für nachträgliche Streikbruchprämien an ausgewählte Arbeitnehmer vorliegen. Das kann beispielsweise sein, wenn die Begünstigten während der Streiks besondere Belastungen auszuhalten hatten, die über das normale Maß der mit der Streikarbeit verbundenen Erschwerung hinausgingen. Beachtet der Arbeitgeber dies nicht, liegt auch keine Rechtfertigung vor und solche Prämien können dann alle Arbeitnehmer verlangen, also auch die Streikenden.

Praxishinweis

In Betrieben mit Betriebsrat stellt sich die Frage, ob der Betriebsrat bei Zahlung einer Streikbruchprämie ein Mitbestimmungsrecht hat. Denn solches ergibt sich grundsätzlich aus dem Gesetz, da der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei den Verteilungsgrundsätzen bei Sonderleistungen mitzubestimmen hat.

Allerdings gibt es eine Einschränkung der Mitbestimmungsrechte im Arbeitskampf. Denn aus § 74 BetrVG ergibt sich, dass dem Betriebsrat ein wirklicher Arbeitskampf verboten ist. Deshalb wird davon auszugehen sein, dass eine arbeitskampfkonforme Einschränkung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu erfolgen hat. Soweit also die Mitbestimmung geeignet ist, Einfluss auf den Streik zu nehmen, hat sie zu unterbleiben.

Das gilt allerdings nicht für nachträgliche Streikbruchprämien, da diese nichts mit dem Arbeitskampf zu tun haben. Dementsprechend können in solchen Fällen Mitbestimmungsrechte auch nicht ausgeschlossen werden.

Hat ein Arbeitgeber gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verstoßen, hier insbesondere aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wird der Betriebsrat reagieren müssen. Ihm steht ein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme zu. Und das gilt eben auch für nachträgliche Streikbruchprämien, die zwar nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, da sie gerechtfertigt sind und eben beispielsweise eine erschwerte Arbeitsleistung ausgleichen wollen. Trotzdem ist dann der Betriebsrat zu beteiligen.

BAG, Urt. v. 14.08.2018 – 1 AZR 287/17

Quelle: Rechtsanwalt und FA für Arbeitsrecht Arno Schrader