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Unterhalt: Berücksichtigung des ehebedingten Nachteils

Der ehebedingte Nachteil des unterhaltsberechtigten Ehegatten begrenzt die Herabsetzung seines nachehelichen Unterhaltsanspruchs gemäß § 1578b BGB und ist nicht hälftig zu verteilen, sondern in voller Höhe zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Das hat der BGH entschieden und damit der Ansicht widersprochen, dass ein ehebedingter Nachteil zwischen den Ehegatten aufzuteilen ist.

Sachverhalt

Die seit dem 21.12.2010 rechtskräftig geschiedenen Ehegatten streiten über die Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs über nachehelichen Unterhalt. Sie heirateten im März 1993 und trennten sich im August 2006. Aus der Ehe sind drei 1994, 1996 und 1998 geborene Kinder hervorgegangen, von denen das mittlere beim Vater und das jüngste bei der Mutter lebt.

In einem Vergleich vom 16.05.2012 verpflichtete sich der Ehemann, monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 610 € zu zahlen. Vereinbart war, dass eine Abänderung erst vom 01.07.2013 an möglich war, ohne dass sich einer der Beteiligten auf eine Präklusion berufen durfte. Zudem war geregelt, dass der Vergleich weder eine abschließende Regelung noch eine Befristung enthält und bei einem Abänderungsantrag die dann geltenden Einkommensverhältnisse der Beteiligten zugrunde zu legen sind.

Der Ehemann, der vom 01.02.2014 an keinen nachehelichen Unterhalt mehr zahlen will, verfügt über ein unterhaltsrelevantes monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 3.127 €. Die Ehefrau ist gelernte Bürokauffrau, hat Fortbildungen absolviert und könnte in diesem Beruf aktuell ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 1.292,58 € erzielen. Hätte sie nicht nach der Geburt des ersten Kindes ihre berufliche Tätigkeit aufgegeben, könnte sie als Bürokauffrau hingegen bereinigt 1.775,02 € monatlich verdienen.

Das Amtsgericht hat den monatlichen Unterhalt auf 200 € herabgesetzt. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das OLG den Unterhaltsbetrag auf monatlich 482 € bestimmt.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde des Ehemannes hat keinen Erfolg. Der ehebedingte Nachteil der Ehefrau ergibt sich aus der Differenz zwischen ihrem angemessenen Lebensbedarf i.S.v. § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB und dem Einkommen, das sie tatsächlich erzielt oder gem. §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte.

Dieser Nachteil muss nicht hälftig auf beide geschiedenen Ehegatten verteilt und daher nicht betragsmäßig halbiert werden. Dieser vereinzelt in der Literatur vertretenen Auffassung erteilt der BGH eine eindeutige Absage.

Bei § 1578b BGB handelt es sich um eine unterhaltsbegrenzende Norm, die das Bestehen eines Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt voraussetzt und neben einer Befristung dessen Herabsetzung ermöglicht, indem die Bedarfsbemessung von den ehelichen Lebensverhältnissen gelöst und stattdessen auf den angemessenen Lebensbedarf abgestellt wird. An der Rechtsnatur des Unterhaltsanspruchs selbst ändert dies nichts.

Der vollständige ehebedingte Nachteil entspricht dem – durch die eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten nicht gedeckten – Teil des Bedarfs, der nach dem Willen des Gesetzgebers auch dann durch Unterhaltszahlungen gedeckt werden soll, wenn sich die wirtschaftliche Stellung des Unterhaltsberechtigten nicht mehr nach den ehelichen Lebensverhältnissen, sondern nach seiner eigenen Lebensstellung bestimmt.

Dementsprechend sieht § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB für die Bedarfsbemessung eine Berücksichtigung ehebedingter Nachteile des Unterhaltspflichtigen nicht vor, sondern stellt allein darauf ab, wie der Unterhaltsberechtigte ohne Ehe und Kindererziehung stünde, sodass dessen ehebedingte Erwerbsnachteile den Umfang der Herabsetzung begrenzen.

Die Gegenansicht würde dazu führen, dass dem Unterhaltsberechtigten entgegen dem gesetzgeberischen Willen aus eigenem Einkommen und nachehelichem Unterhalt gerade nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung stünden, um seinen eigenen angemessenen Lebensbedarf zu decken.

Die eine Halbierung des ehebedingten Nachteils fordernde Meinung verkennt zudem, dass es sich bei der Pflicht zur Zahlung nachehelichen Unterhalts gerade nicht um eine durch die eheliche Rollenverteilung bedingte Einbuße in der Möglichkeit handelt, Einkünfte zu erzielen, sondern um eine von Gesetzes wegen an die Scheidung geknüpfte Rechtsfolge, die nicht die Einkunftserzielung, sondern die Verteilung des Einkommens betrifft.

Der Gedanke der Nachteilshalbierung stützt sich auf den Zirkelschluss, bei der Ermittlung des Unterhaltsanspruchs eben diesen Anspruch als Bemessungsfaktor zu berücksichtigen. Darüber hinaus würde dieser Ansatz ohnedies immer dann versagen, wenn der Unterhaltsberechtigte als Folge der in der Ehe praktizierten Rollenverteilung nach der Scheidung nicht mehr in der Lage ist, ein sein Existenzminimum sicherndes Einkommen zu erzielen.

Folgerungen aus der Entscheidung

Der im Rahmen des § 1578b BGB in erster Linie zu prüfende ehebedingte Nachteil ist darin zu sehen, dass der Unterhaltsberechtigte aufgrund seiner beruflichen Einschränkungen während der Dauer der Ehe nicht in dem Maß „sein eigenes Geld“ verdienen kann, wie er es ohne die Ehe verdienen würde. Somit ist konkret vorzutragen, welches Einkommen er als „fiktiv Lediger“ erzielen würde, und dieses dem aktuell erzielten oder erzielbaren Erwerbseinkommen gegenüberzustellen. Der Ausgleich dieses Nachteils steht allein dem Unterhaltsberechtigten zu.

Der BGH verweist auch darauf, dass § 1578b BGB nicht nur die Herabsetzung, sondern in Absatz 2 auch die zeitliche Begrenzung und in Absatz 3 eine Kombination von Herabsetzung und zeitlicher Begrenzung ermöglicht. Der Tatrichter kann bei der im Einzelfall zu treffenden Billigkeitsentscheidung, in die auch ehebedingte Erwerbsnachteile des Unterhaltspflichtigen einfließen können, daher im Wege einer teilweisen zeitlichen Begrenzung auch zu dem Ergebnis gelangen, dass von einem bestimmten Zeitpunkt an nur noch ein Unterhalt zu zahlen ist, der den angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten nicht vollständig deckt.

Praxishinweis

Zu den fiktiven Zinseinkünften stellt der BGH klar, dass bei einer allein zumutbaren sicheren Geldanlage im derzeitigen Zinsumfeld keine relevanten Zinseinkünfte zu erzielen sind.

BGH, Beschl. v. 08.06.2016 – XII ZB 84/15

Quelle: Richter am Amtsgericht a.D. Dr. Wolfram Viefhues