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Kranken- und Pflegevorsorgeunterhalt und Höhe der Krankenversicherung

Der an einen freiwillig krankenversicherten Unterhaltsberechtigten nach der Scheidung geleistete Kranken- und Pflegevorsorgeunterhalt ist bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge mit zugrunde zu legen. Das hat das Bundessozialgericht entschieden. Ein angemessener Kranken- und Pflegevorsorgeunterhalts wird durch die Familiengerichte errechnet und festgesetzt.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung. Die in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) freiwillig versicherte geschiedene Ehefrau erhält Elementarunterhalt (1.491 € monatlich), Kranken- und Pflegevorsorgeunterhalt (290 € monatlich) und Altersvorsorgeunterhalt (434 € monatlich). Ihre Krankenversicherungsbeiträge wurden auf der Grundlage ihres gesamten Unterhalts festgesetzt. Die Klage, mit der die Ehefrau eine Beitragsbemessung lediglich beschränkt auf den Elementarunterhalt anstrebte, war vor dem Sozialgericht teilweise erfolgreich.

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Das BSG ändert das Urteil des Sozialgerichts und weist die Klage der Ehefrau insgesamt ab. Die Berechnung der Beiträge der freiwillig in der GKV versicherten Ehefrau unter Berücksichtigung des ihr von ihrem Ehemann zustehenden Kranken- und Pflegevorsorgeunterhalts war rechtmäßig. Diesem kommt insbesondere keine eigenständige Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts zu, mit der sich eine Ausklammerung aus der Beitragspflicht in der GKV begründen ließe. Das BSG bestätigt in diesem Zusammenhang mit ausführlicher Begründung seine bisherige Rechtsprechung.

Auch der Kranken- und Pflegevorsorgeunterhalt steht der Ehefrau zum Verbrauch für den allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung und prägt daher wesentlich ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit i.S.v. § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Faktisch ist der Unterhaltsberechtigte in der tatsächlichen Verwendung der ihm für seinen Lebensunterhalt gewährten Unterhaltsleistungen frei. Wird der Kranken- und Pflegevorsorgeunterhalt nicht bestimmungsgemäß zur Absicherung im Krankheits- und Pflegefall verwendet, muss sich der Berechtigte nach § 1579 Nr. 4 BGB unterhaltsrechtlich so behandeln lassen, als hätten die Zahlungen zu einer entsprechenden Versicherung geführt.

Die unterhaltsrechtlichen Schwierigkeiten bei der Berechnung eines angemessenen Kranken- und Pflegevorsorgeunterhalts haben keine Auswirkungen auf das Beitragsrecht. Zwar entsteht durchaus eine gewisse zirkuläre Abhängigkeit der beiden Regelungsbereiche. Höhere Unterhaltsansprüche, die sich aus der Einbeziehung des Kranken- und Pflegevorsorgeunterhalts ergeben, führen zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Krankenversicherungsbeiträge, was dann wieder höhere Unterhaltsansprüche auslöst, die wiederum im erhöhten Umfang zu verbeitragen sind.

Das BSG stellt klar, dass dies von den Familiengerichten durch eine geeignete Form der Berechnung des Kranken- und Pflegevorsorgeunterhalts sicherzustellen ist, und verweist auf Lösungsvorschläge und verschiedene als Alternativen vorgeschlagene Rechenformeln in der Literatur. Rechnerisch würde eine fortlaufende Berücksichtigung des tatsächlich zu zahlenden Beitrags durch die Erhöhung des geschuldeten Gesamtunterhalts um die nicht gedeckte Differenz mit anschließender Neuberechnung der Beitragshöhe nämlich bereits nach dem dritten Rechenvorgang zu keinen wesentlichen Erhöhungen mehr führen.

Folgerungen aus der Entscheidung

In der anwaltlichen Beratung sollte i.d.R. das Thema Vorsorgeunterhalt angesprochen werden. Denn wenn sich der geschiedene Ehegatte in der Unterhaltsdiskussion auf eine nach der Scheidung eingetretene, aber ehebedingt ausgelöste Verschlechterung bei der Altersversorgung als ehebedingten Nachteil i.S.v. § 1578b BGB beruft, muss er sich ggf. den Vorwurf entgegenhalten lassen, diesen Nachteil hätte er durch die Beanspruchung von Altersvorsorgeunterhalt kompensieren können (BGH, Urt. v. 14.05.2014 – XII ZB 301/12 und Urt. v. 26.02.2014 – XII ZB 235/12).

Rückwirkend kann Vorsorgeunterhalt nicht verlangt werden, wenn der Unterhaltsanspruch in der Vergangenheit – ohne Vorsorgeunterhalt – beziffert wurde (BGH, Urt. v. 19.11.2014 – XII ZB 478/13 und Beschl. v. 07. 11. 2012 – XII ZB 229/11). Der Anwalt des Unterhaltsberechtigten macht sich regresspflichtig, wenn er ihn nicht auf die Möglichkeit hinweist, Altersvorsorgeunterhalt geltend zu machen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.06.2009 – I-24 U 133/08).

Praxishinweis

Bei getrennt lebenden Ehegatten ist zu beachten, dass Unterhaltsleistungen, die im Wege des begrenzten Realsplittings erfasst werden, Gesamteinkommen i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 5 erster Halbsatz SGB V sind. Beim Überschreiten der Gesamteinkommensgrenze schließen sie daher den Fortbestand der Familienversicherung aus. In einem solchen Fall ist der Mandant als Unterhaltsberechtigter unverzüglich aufzufordern, einen eigenständigen Krankenversicherungsschutz sicherzustellen.

Die im konkreten Fall des Vorsorgeunterhalts beim Nachscheidungsunterhalt auftretenden Berechnungsprobleme muss nicht nur das Familiengericht lösen. Denn der Anwalt muss zunächst selbst korrekt rechnen, da er dem Gegner eine bezifferte Zahlungsaufforderung zuleiten und im Streitfall bei Gericht auch einen bezifferten Antrag stellen muss.

Berechnungsvorschläge dazu machen Jacob, FamRZ 1988, 997, 999 und Conradis, FamRZ 2004, 1156, 1157. Obergerichtliche Rechtsprechung dazu ist noch nicht bekannt.

BSG, Urt. v. 19.08.2015 – B 12 KR 11/14 R

Quelle: Richter am Amtsgericht a.D. Dr. Wolfram Viefhues