Überwachungskameras: Wenn der Nachbar sich beobachtet fühlt

Wer auf seinem Grundstück eine Videokamera installiert, muss darauf achten, dass nicht das Nachbargrundstück mitüberwacht wird. Im Zweifelsfall kann auch schon der begründete Verdacht von Bildaufzeichnungen für eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausreichen - ein Nachweis tatsächlicher Aufnahmen ist nicht unbedingt nötig. Das hat das Amtsgericht München entschieden.

Darum geht es

Der Beklagte hat auf einer Birke auf der den Klägern zugewandten Seite eine Kamera installiert, die zu deren Grundstück hin ausgerichtet ist. Diese Kamera macht einzelne Fotos nur, wenn ein Bewegungsimpuls auf dem Grundstück des Beklagten erfolgt. Der Auslösebereich ist so gewählt, dass eine Person die Einzelbildaufnahme auslöst, wenn sie die Umfriedung überwunden hat und sich auf dem Grundstück des Beklagten befindet. Eine Person vor dem Gartentor oder auf dem Grundstück der Kläger aktiviert die Kamera nicht. Die Kamera kann grundsätzlich auch filmen.

Die Kläger behaupten, die Kamera sei zunächst so eingestellt gewesen, dass Gartentor zum Grundstück der Kläger und die Auffahrt der Kläger überwacht wurde. Aufgrund des leicht veränderbaren Blickwinkels der Kamera bestehe erhöhte Missbrauchsgefahr. Bei Befestigung an der Garagenwand sei es dem Beklagten ohne weiteres möglich sein Grundstück zu überwachen, ohne die Rechte der Kläger zu verletzen.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die zuständige Richterin am Amtsgericht München gab dem klagenden Ehepaar Recht.

Sie verurteilte den Beklagten es bei Meidung eines Ordnungsgeldes ersatzweise Ordnungshaft zu unterlassen, mittels der an einem Baum auf seinem Grundstück in Ottobrunn bei München installierten Videokamera das von dem klagenden Ehepaar gemietete Nachbargrundstück zu beobachten, insbesondere Bildnisse oder Filmaufnahmen vom Grundstück oder darauf befindlichen Personen anzufertigen, zu speichern, zu vervielfältigen, aufzubewahren oder in sonstiger Weise zu verwenden. Darüber hinaus hat er die Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens einschließlich vorgerichtlicher Anwaltskosten von ca. 2.600 € zu tragen.

Durch die Installation der Kamera, die jedenfalls auf auch auf die nachbarliche Auffahrt als einzigem Zugang zum Grundstück der Kläger gerichtet ist, sei das Persönlichkeitsrecht der Kläger beeinträchtigt.

Wenn Bewegungen Dritter auf dem Grundstück des Beklagten die Aufnahmefunktion auslösen, könnten zufällig zeitgleich auf dem Grundstück der Kläger befindliche erwachsene Personen im Stehen maximal bis zum Hüftbereich, kleine Kinder in ganzer Größer erfasst werden. Beim Bücken wäre eine Ablichtung der Kläger auch in ganzer Größe möglich.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung muss bei der Installation von Anlagen der Überwachung auf einem Privatgrundstück sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann.

Unabhängig davon, ob die streitgegenständliche Kamera tatsächlich ein Lichtbild der Kläger erstellt hat, besteht durch diese Platzierung mit Ausrichtung zu der gemeinsam genutzten Auffahrt jedenfalls für die Kläger eine Verdachtssituation, die sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt.

Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt nicht nur vor tatsächlicher Bildaufzeichnung, es schützt bereits vor der berechtigten Befürchtung einer Bildaufzeichnung.

Die Kläger müssen sich, wenn sie aus ihrem Haus kommend oder zu ihrem Haus gehend ihre Auffahrt benutzen, durch die Ausrichtung kontrolliert fühlen. Die Kläger können weder beeinflussen, wann sie bei solchen Gelegenheiten aufgenommen werden, noch können sie feststellen, ob solche Aufzeichnungen gefertigt wurden. Unter Berücksichtigung der zwischen den Parteien bestehenden nachbarschaftlichen Streitsituation ist die Befürchtung der Kläger überwacht zu werden nachvollziehbar.

Auch die vom Beklagten angeführte häufige berufsbedingte Abwesenheit rechtfertige die Aufzeichnungen nicht, zumal er die Kamera auch so an seiner Wand anbringen könne, dass allein sein Grundstück beobachtet würde.

Das Urteil ist nach die Berufung des Beklagten zurückweisendem Urteil rechtskräftig.

Amtsgericht München, Urt. v. 14.11.2017 - 172 C 14702/17

Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 15.06.2018

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