Sozialrecht, Familienrecht -

Jobcenter muss Kosten für Schulbücher tragen

Die Kosten für Schulbücher sind vom Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf zu übernehmen, wenn Schüler mangels Lernmittelfreiheit ihre Schulbücher selbst kaufen müssen. Das hat das Bundessozialgericht entschieden. Der Härtefall-Mehrbedarf soll Sonderfällen, in denen ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf besteht und sich der Regelbedarf als unzureichend erweist, Rechnung tragen.

Darum geht es

Die Klägerinnen bezogen jeweils Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II („Hartz IV“). Mit dem Jobcenter entstand insbesondere Streit über den Ersatz von Aufwendungen für die Anschaffung von Schulbüchern, die die Schule nicht im Rahmen der Lernmittelfreiheit zur Verfügung stellte.

Diese Kosten verlangten die Klägerinnen vom Jobcenter als Zusatzleistungen zum Regelbedarf. Das Jobcenter lehnte dies mit der Begründung ab, dass Schulbücher vom Regelbedarf umfasst seien.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Kosten für Schulbücher sind zwar dem Grunde nach vom Regelbedarf erfasst, nicht aber in der richtigen Höhe, wenn keine Lernmittelfreiheit besteht.

Denn der Ermittlung des Regelbedarfs liegt eine bundesweite Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zugrunde. Deren Ergebnis für Schulbücher ist folglich nicht auf Schüler übertragbar, für die anders als in den meisten Bundesländern keine Lernmittelfreiheit in der Oberstufe gilt.

Daher sind Schulbücher für Schüler, die sie mangels Lernmittelfreiheit selbst kaufen müssen, durch das Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf nach § 21 Absatz 6 SGB II zu übernehmen. Dieser Mehrbedarf wurde aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 1 Grundgesetz eingeführt.

Der Härtefall-Mehrbedarf soll Sondersituationen, in denen ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf auftritt, und sich der Regelbedarf als unzureichend erweist, Rechnung tragen und ist verfassungskonform auszulegen (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175; BVerfG vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - BVerfGE 137, 34).

Aus der Kultushoheit der Länder folgt nichts anderes. Mögliche Konflikte zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Finanzierung der Schulbildung dürfen nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werden.

Ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 SGB II scheidet aus, weil dieses einen vom Regelbedarf zutreffend erfassten Bedarf voraussetzt, was bei fehlender Lernmittelfreiheit gerade nicht der Fall ist.

BSG, Entscheidungen v. 08.05.2019 - B 14 AS 6/18 R und B 14 AS 13/18 R

Quelle: BSG, Pressemitteilung v. 08.05.2019