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Verkehrsrecht -

Neue Berechnung bei Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden

Das OLG Frankfurt hat als erstes Oberlandesgericht einen Schmerzensgeldanspruch anhand einer neuen, taggenauen Methode berechnet und sich damit nicht mehr vorrangig an den üblichen Schmerzensgeldtabellen orientiert. Zudem hat das Gericht beim Haushaltsführungsschaden den moderneren Zuschnitt der Haushalte und den Mindestlohn berücksichtigt. Das Urteil könnte Signalwirkung haben.

Darum geht es

Der beklagte Pkw-Fahrer kollidierte mit dem klagenden Motorradfahrer, als er in Obertshausen auf der Schönbornstraße kurz vor der Kreuzung zur B 448 wenden wollte. Der Kläger wurde erheblich verletzt und erlitt u.a. einen komplizierten Speichenbruch, eine HWS-Distorsion, eine Bauchwandprellung und dauerhafte Sensibilitätsstörungen der Hand. Er war über vier Monate krankgeschrieben und in der Haushaltsführung eingeschränkt. Die Haftpflichtversicherung des Pkw-Fahrers hat den Schaden am Motorrad sowie ein Schmerzensgeld von 5.000 € gezahlt.

Der Kläger nimmt den Beklagten unter anderem auf Zahlung weiteren Schmerzensgelds und Ausgleich des erlittenen Haushaltsführungsschadens in Anspruch. Nach Auffassung des Landgerichts musste der Beklagte vollständig für die Unfallfolgen einstehen. Dabei hielt es ein Schmerzensgeld von 10.500 € für angemessen und sprach auch den geforderten Haushaltsführungsschaden zu. Mit der Berufung begehrte der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Der Beklagte hatte hinsichtlich der Positionen Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden auch vor dem OLG keinen Erfolg.

Das OLG nahm vielmehr erstmals unter den Obergerichten auf neuerer Methodik beruhende Berechnungen vor und verurteilte den Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 11.000 € sowie eines Haushaltsführungsschadens von 1.500 €.

Das OLG betont, dass das Schmerzensgeld dem Ausgleich nicht vermögensrechtlicher Schäden diene. Bei der Bemessung des zu schätzenden Betrages stehe der konkrete Einzelfall im Mittelpunkt. Tabellenmäßig erfasste Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte seien dabei weder Maßstab noch Begrenzung.

Angemessener sei eine Methode, die die taggenaue Berechnung unter Berücksichtigung der im Zeitablauf unterschiedlichen Behandlungsarten (Krankenhaus, Reha) und Schadensfolgen ermögliche.

Diese neue Berechnungsweise könne durch die größere Bedeutung des Zeitmoments auf Dauer dazu führen, dass bei langfristigen Beeinträchtigungen deutlich höhere Schmerzensgelder ausgeworfen werden, während bei geringen Beeinträchtigungen die Schmerzensgelder deutlich vermindert werden könnten, jeweils im Vergleich zu den heute ausgeurteilten Schmerzensgeldbeträgen, prognostiziert das OLG.

Die neue Berechnungsweise basiere auf einem prozentual ausgedrückten Tagessatz des vom statistischen Bundesamt ermittelten jährlichen durchschnittlichen Bruttonationaleinkommens je Einwohner, welcher mit einem weiteren prozentual ermittelten Faktor für den Grad der Schädigungsfolgen multipliziert werde.

Auf das persönliche Einkommen des Geschädigten komme es in diesem Zusammenhang nicht an, da Schmerz von allen Menschen gleich empfunden werde. Ähnliche Berechnungsweisen seien in anderen europäischen Ländern zur Vereinheitlichung von Schmerzensgeldberechnungen lange anerkannt.

Der so genannte Haushaltsführungsschaden könne ebenfalls nicht zufriedenstellend über die bisher zur Verfügung stehenden Tabellen ermittelt werden. Er diene dem Ausgleich von Einbußen für die Eigen- und ggf. Fremdversorgung anderer Haushaltsmitglieder. Die üblichen Tabellen beruhten auf traditionell begründeten Unterscheidungen hinsichtlich des Zuschnitts der jeweiligen Haushaltsführung.

In modernen Haushalten finden weitaus mehr Maschinen Einsatz als früher, es wird insgesamt weniger Wert auf klassische Vorbereitung oder auch klassische Darbietung des Essens gelegt, stellt das OLG fest. Die neuen Tabellen, die auf aktuellen Erhebungen und Auswertungen des statistischen Bundesamts beruhen, differenzierten zwar auch hinsichtlich des Haushaltszuschnitts, berücksichtigten dafür aber allein die praktikable Unterscheidung in Form des verfügbaren Nettoeinkommens.

Auf dieser Basis könne eher ein durchschnittlicher wöchentlicher Stundenaufwand für die Haushaltsführung ermittelt werden. Dieser Stundenaufwand sei mit einem Stundensatz für einfache Haushaltsarbeiten zu multiplizieren. Orientierung biete dabei zunächst der gesetzliche Mindestlohn. In besonders gehobenen Haushalten könne dieser Betrag angemessen - wie hier - auf 10 € pro Stunde erhöht werden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Mit der beim BGH einzulegenden Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision begehrt werden.

Praxishinweis

Für Schmerzensgeldberechnungen wird üblicherweise auf Tabellen zurückgegriffen, denen sortiert nach dem Bild der Beeinträchtigungen und der Dauer der Einschränkungen Beträge zu entnehmen sind, die andere Gerichte ausgeurteilt hatten.

Die Berechnung des Haushaltsführungsschadens erfolgt üblicherweise auf Basis von Tabellenwerken, die nach der Anzahl an Personen im Haushalt, der Frage der Erwerbstätigkeit und der Art des Haushalts differenzieren. Bei der Art des Haushalts werden vier Anspruchsstufen unterschieden in Abhängigkeit zur Abwechslung im Speiseplan, Art der Gerichte, Aufwand beim Garnieren und den Tätigkeiten im Übrigen im Haushalt.

Die vier Anspruchsstufen führen zu einem Arbeitsanfall pro Woche zwischen 25,7 und 60,5 Stunden. Für den Streitfall wäre hier die höchste Anspruchsstufe mit 60,5 Stunden pro Woche ausgewiesen worden. Die Stundensätze werden zwischen 6,0 und 10,00 € angesetzt.

Die hier vom OLG berücksichtigten Erfahrungswerte weisen dagegen ausgehend vom Nettoeinkommen einen Arbeitsanteil im Zweipersonenhaushalt von 25,9 Stunden für die Frau und 18,55 für den Mann aus. Als Stundensatz wurde der zum Unfallzeitpunkt geltende Mindestlohn von 8,50 €/h zugrunde gelegt zzgl. eines gewissen Aufschlags wegen des gehobenen Haushaltszuschnitts.

OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 18.10.2018 - 22 U 97/16

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Pressemitteilung v. 31.10.2018