Verkehrsrecht -

Reiseversicherung: Corona als Naturkatastrophe?

Eine Reiseabbruchsversicherung haftet bei einer coronabedingten Flugannullierung nicht für die Kosten eines Ersatzflugs. Das hat das Amtsgericht München entschieden. Bei der Corona-Pandemie handelt es sich demnach mangels unmittelbarer physischer Auswirkungen, lokalem Auftreten und zeitlicher Eingrenzung um keine typische Naturkatastrophe. Das Gericht lehnte daher einen Ersatzanspruch ab.

Darum geht es

Der Kläger schloss bei der Beklagten am 27.01.2020 eine Reiserücktrittsversicherung ab, die auch eine Reiseabbruchsversicherung beinhaltete. Nach den Versicherungsbedingungen gewährt die Beklagte Versicherungsschutz für die Mehrkosten einer nicht planmäßigen Rückreise, wenn am Urlaubsort eine Naturkatastrophe herrscht.

Der Kläger buchte am 04.03.2020 für sich und einen Mitreisenden eine Reise nach Sri Lanka vom 07.03.2020 bis 29.03.2020. Die Fluggesellschaft strich am 24.03.2020 aufgrund der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 hervorgerufenen Reisebeschränkungen den Rückflug.

Daraufhin buchte der Kläger für sich und seinen Begleiter Rückflüge für den 27.03.2020 von Colombo nach Zürich. Die insoweit entstandenen Kosten in Höhe von 3.610 € stellte der Kläger dem Reiseversicherer in Rechnung.

Der Kläger meint, bei der Corona-Pandemie handele es sich um eine Naturkatastrophe, sodass der Versicherer die Mehrkosten zu tragen habe. Die hohen Kosten für die Ersatzflüge seien darauf zurückzuführen, dass es sich bei diesen - vor der Schließung des örtlichen Flughafens - um die einzig verbliebene Rückreisemöglichkeit gehandelt habe.

Die Beklagte ist der Auffassung, die versicherten Risiken seien in den Versicherungsbedingungen abschließend aufgezählt worden. Eine Pandemie als versichertes Ereignis sei gerade nicht genannt worden.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die zuständige Richterin am Amtsgericht gab der Beklagten Recht und hat die Klage gegen einen Reiseversicherer auf Zahlung von 3.610 € abgewiesen.

Bei der Corona-Pandemie handelt es sich mangels unmittelbarer physischer Auswirkungen, lokalem Auftreten und zeitlicher Eingrenzung um keine typische Naturkatastrophe.

Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere das öffentliche Leben, treten vermittelt durch staatliche Schutzmaßnahmen ein, bei denen es sich um politische Ermessensakte handelt. Bei Auswirkungen durch staatliche Maßnahmen liegt begrifflich aber keine Naturkatastrophe vor, da diese höchst unterschiedlich ausfallen können.

Die Auswahl der Schutzmaßnahmen folgt weltweit verschiedenen Ansätzen. Schutzkonzepte wurden im Laufe der Zeit geändert und angepasst.

In Ländern mit strengen Schutzkonzepten sind die Auswirkungen auf das öffentliche Leben stärker spürbar als in Ländern, die weniger strenge Ansätze verfolgen. Kennzeichnend für eine Naturkatastrophe ist aber, dass sie an jedem Ort die gleichen Auswirkungen hätte.

Auch in zeitlicher Hinsicht unterscheidet sich die Corona-Pandemie von einer Naturkatastrophe. Bei dieser besteht die Gefahrenquelle typischerweise für einen nur begrenzten Zeitraum von maximal einigen Wochen.

Die Gefahr durch das Coronavirus besteht aber bereits um ein vielfältiges länger und wird auch aufgrund seiner dezentralen Entwicklung noch länger eine Gefahr darstellen. Dieses Ergebnis wird auch durch Erwägungen zur Rechtssicherheit gestützt.

Naturgemäß schwankende Infektionszahlen und sich dem anpassende Schutzmaßnahmen werfen die Abgrenzungsfrage auf, ab welchem Grad die Schwelle zur Naturkatastrophe überschritten würde.

Infektionszahlen und Schutzmaßnahmen entwickeln sich an verschiedenen Orten unterschiedlich, sodass dasselbe Ereignis teilweise als Naturkatastrophe einzustufen wäre und teilweise nicht.

Mangels Vorliegen eines versicherten Ereignisses besteht mithin kein Ersatzanspruch gegen die Beklagte.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Amtsgericht München, Urt. v. 20.05.2021 - 275 C 23753/20

Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung v. 03.12.2021

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